FRANKFURT (dpa-AFX) - Ob Erträge oder Gewinne: Je länger das Jahr 2019 gedauert hatte, umso mehr musste Commerzbank-Vorstandschef Martin Zielke von seinen ursprünglichen Zielen Abstand nehmen. Für die Aktionäre gab es schon seit den gescheiterten Fusionsgesprächen mit der Deutschen Bank kaum Grund zur Freude. Auch das Jahr 2020 verspricht wenig Besserung. Was bei der Commerzbank los ist, was Analysten sagen und was die Aktie macht.

DAS IST LOS BEI DER COMMERZBANK:

Immer mehr Kunden gewinnen, damit die Gewinne nicht schmelzen: Die Strategie, die Vorstandschef Zielke dem Geldhaus jahrelang als Heilmittel verabreicht hat, scheint an ihre Grenzen zu stoßen. Zinstief und Konjunkturflaute bremsen die Geschäftsentwicklung der Bank. Das Ziel, 2019 den Gewinn zu steigern, musste Zielke im Herbst kassieren. An diesem Donnerstag (13. Februar) wird sich zeigen, wie weit das Frankfurter Institut beim Überschuss unter den 865 Millionen Euro aus dem Vorjahr geblieben ist.

Von der Bank selbst befragte Analysten erwarten im Schnitt unter dem Strich 586 Millionen Euro Gewinn. Einen Grund für den sinkenden Überschuss hatte die Bank, deren größter Anteilseigner seit der Finanzkrise vor gut zehn Jahren der deutsche Staat ist, bereits genannt: Im vierten Quartal sei mit einer "deutlich höheren Steuerquote" zu rechnen.

Nachdem der Versuch einer Fusion mit der Deutschen Bank im Frühjahr 2019 scheiterte, muss die Commerzbank sich weiterhin alleine beweisen. Doch der Wettbewerb um Privatkunden und Mittelstand in Deutschland ist hart, die Wachstumsmöglichkeiten sind begrenzt.

Und die Aussichten bleiben trüb: Internationale Handelskonflikte bremsen die exportorientierte deutsche Wirtschaft, ein Ende des Zinstiefs im Euroraum ist nicht in Sicht, die Negativzinsen der Europäischen Zentralbank (EZB) bleiben trotz Freibeträgen eine Milliardenbelastung für Banken.

Nach Einschätzung von Analysten könnte der Überschuss der Commerzbank im Jubiläumsjahr 2020 weiter sinken. Und vor 2022 scheint wenig Besserung in Sicht. Zwar verordnete der Vorstand dem Geldhaus im Herbst ein weiteres Sanierungsprogramm, in Zuge dessen weitere 2300 Jobs und jede fünfte der etwa 1000 Filialen wegfallen sollen. Doch die erwarteten Kostensenkungen in Höhe von 600 Millionen Euro dürften erst im Jahr 2023 voll greifen. Nötiges Geld für den teuren Umbau soll der Commerzbank der Verkauf der Mehrheitsbeteiligung an der polnischen mBank in die Kasse spülen.

Im eigentlichen Geschäft hat die Bank von der Einnahmenseite kaum Unterstützung zu erwarten. Von seinem Ziel, die Erträge 2019 zu steigern, hat sich das Management bereits früher verabschiedet. Im Geschäftsjahr 2018 waren die um positive Einmalerträge und Bewertungseffekte bereinigten Erträge vor Risikovorsorge um fünf Prozent auf 8,6 Milliarden Euro gestiegen. Für das vergangene Jahr rechnen Analysten mit Erträgen knapp unter 8,6 Milliarden Euro.

Wichtige Impulse für das Bankgeschäft der Zukunft erhofft sich der Vorstand von der Komplettübernahme der bisher eigenständig börsennotierten Online-Tochter Comdirect. Nachdem ein Übernahmeangebot an die übrigen Anteilseigner zunächst gescheitert war, konnte sich die Commerzbank in einem separaten Deal ein größeres Aktienpaket sichern und die Schwelle von 90 Prozent der Anteile überschreiten. Damit kann sie die übrigen Comdirect-Aktionäre aus dem Unternehmen drängen und die Online-Bank ins Frankfurter Mutterhaus integrieren.

Die Commerzbank blickt auf eine 150-jährige Geschichte zurück: Gegründet wurde das Institut am 26. Februar 1870 von hanseatischen Kaufleuten und Privatbankiers unter dem Namen "Commerz- und Disconto-Bank in Hamburg".

DAS MACHT DIE AKTIE:

Die Commerzbank-Aktionäre sind Leiden gewöhnt. Nachdem das Papier angesichts der Hoffnung auf eine Fusion mit der Deutschen Bank im Frühjahr 2019 zu mehr als 8 Euro gehandelt worden war, sackte der Kurs Mitte August auf 4,658 Euro und erreichte damit den tiefsten Stand seiner Geschichte. Auch die Verkündung des Strategieprogramms brachte keine Besserung. Und obwohl die Aktie seit dem Jahreswechsel wieder etwas zugelegt hat, notierte sie zuletzt immer noch deutlich unter sechs Euro.

Von ihren einstigen Höhen bleibt die Aktie weit entfernt. Das rechnerische - um viele Kapitalerhöhungen und Aktienzusammenlegungen bereinigte - Rekordhoch datiert aus dem Jahr 2000 und liegt bei 288,64 Euro. Kurz vor Ausbruch der Finanzkrise und dem Einstieg des Staates lag der Kurs umgerechnet bei mehr als 200 Euro. Seitdem summiert sich das Minus auf rund 97 Prozent. So viel hat fast keine andere Aktie eines deutschen Standardwerts verloren.

Logische Folge des Kurssturzes war 2018 der Abstieg der Bank aus dem Dax in den MDax. Und mit einem Börsenwert von gerade noch gut sieben Milliarden Euro liegt die Commerzbank selbst in dem Index der mittelgroßen Werte nur noch im Mittelfeld. Der Staat, der die Bank in der Finanzkrise gerettet hatte, hält immer noch 15,6 Prozent der Anteile hält. Der staatliche Anteil ist derzeit gerade noch rund 1,1 Milliarden Euro wert. Der Bund müsste aber rund fünf Milliarden erlösen, um bei der Bank ohne Verluste auszusteigen.

DAS SAGEN ANALYSTEN:

Unter den Branchenexperten plädiert die Mehrheit für eine Strategie nach dem Motto "Augen zu und durch". Doch eindeutig ist das Bild nicht. Von den 26 bei Bloomberg erfassten Analysten raten 14 zum Halten der Aktie, acht sind für Verkaufen. Nur vier Analysten finden, dass man derzeit einsteigen sollte. Im Schnitt setzten die Experten der Aktie ein Kursziel von 5,74 Euro und liegen damit praktisch auf dem aktuellen Kursniveau.

Doch selbst Goldman-Sachs-Analyst Jernej Omahen, der sein Kursziel im Januar auf 7,20 Euro gesenkt hatte, hält an seiner Empfehlung "Halten" für die Commerzbank-Aktie fest. Dabei böte sein Kursziel dem Anleger ein Kurspotenzial von 25 Prozent. Allerdings erwartet auch er inzwischen, dass die Geschäfte der Bank in den kommenden Jahren schwächer laufen als zuvor gedacht. So strich er seine Gewinnschätzungen für die Zeit bis 2023 um fast ein Viertel zusammen. Auch bei den Erträgen geht er seither von einer schwächeren Entwicklung aus und begründete das mit den anhaltenden Niedrigzinsen und dem Konkurrenzdruck in der Branche.

Seine Kollegin Aurelia Faure von der spanischen Großbank Santander hält Kursziele von sieben Euro für viel zu optimistisch. Sie sagt der Commerzbank-Aktie vielmehr vor einem weiteren Rutsch in den Keller voraus - und empfiehlt Anlegern, ihre Papiere abzustoßen. Sollte sie Recht behalten, würde der Kurs absehbar auf 4,23 Euro rutschen - und sein bisheriges Rekordtief noch einmal deutlich unterbieten. Von heute aus gesehen, würden die Aktie damit mehr als ein Viertel an Wert verlieren./stw/ben/zb/mis