In einer spätklinischen Studie der Phase III überlebten 37 Prozent der Erkrankten ein Jahr lang, ohne dass die Erkrankung fortschritt, wenn die Krebs-Immuntherapie einem Arzneicocktail aus dem Roche-Mittel Avastin und einer Chemotherapie hinzugefügt wurde, wie Roche am Donnerstag mitteilte. Bei einer Therapie mit Avastin und Chemotherapie alleine waren es lediglich 18 Prozent.

Die nun veröffentlichten Daten untermauern die Wirksamkeit von Tecentriq bei Lungenkrebs. Roche hatte im November erste vielversprechende Ergebnisse der IMpower150 genannten spätklinischen Testreihe veröffentlicht. "Wir finden diese Daten beeindruckend", erklärte Stefan Schneider, Analyst bei der Bank Vontobel. Bernstein-Analyst Tim Anderson sieht in der Impower150-Studie ein wichtiges Stück eines komplexen und noch immer weitgehend unvollständigen Puzzles.

An der Börse erregte die Neuigkeit nur vorübergehend das Interesse der Anleger: Nach einem Kursanstieg von 1,4 Prozent zu Handelsbeginn rutschten die Roche-Genussscheine leicht ins Minus.

"EINE WIRKLICHE CHANCE, HIER AN DER SPITZE ZU SEIN"

Tecentriq winkt nun ein Umsatzschub. Lungenkarzinom ist die am weitesten verbreitete Krebsart, jährlich sterben 1,6 Millionen Menschen an der Krankheit. Und angesichts der Studienresultate empfiehlt sich die Arznei als Erstbehandlung für das sogenannte nicht-kleinzellige Lungenkarzinom (NSCLC). Dagegen darf Tecentriq zwar bereits eingesetzt werden, allerdings nur dann, wenn zuvor andere Therapien keine Wirkung zeigten. "Mit großer Wahrscheinlichkeit haben wir hier eine Arznei, die möglicherweise den Behandlungsstandard ändert", sagte Roche-Chef Severin Schwan zur Nachrichtenagentur Reuters. "Aber wir müssen den Vergleich mit anderen Therapien abwarten. Wir haben eine wirkliche Chance, hier an der Spitze zu sein."

Roche setzt neben Medikamenten wie Hemlibra gegen die Bluterkrankheit und Ocrevus gegen Multiple Sklerose auf Tecentriq, um drohende Einbußen bei drei wichtigen Umsatzbringern aufzufangen: Für die biotechnologisch hergestellten Krebsmedikamente MabThera, Herceptin und Avastin, die gut 40 Prozent des Konzernumsatzes beisteuern, stehen sogenannte Biosimilars in den Startblöcken.

Manche Analysten trauen Tecentriq mehr als sechs Milliarden Dollar Jahresumsatz zu. Doch bislang tut sich das Medikament, das pro Patient jährlich 150.000 Dollar kostet, schwer gegen die früher auf den Markt gekommenen und besser etablierten Krebs-Immuntherapien Keytruda von Merck und Opdivo von Bristol-Myers Squibb. Die beiden US-Konzerne untersuchen ebenfalls Kombinationstherapien zur Lungenkrebsbehandlung, deren Resultate allerdings erst kommendes Jahr beziehungsweise 2019 erwartet werden. Tecentriq ist auch zur Blasenkrebs-Behandlung zugelassen.