FRANKFURT (dpa-AFX) - Das Frühjahr lieferte für Autofahrer eine böse Überraschung: An den Tankstellen sind die Preise für Benzin und Diesel in den Monaten April und Mai kräftig gestiegen. Für Superbenzin der Sorte E10 musste am Dienstag nach Angaben von "clever-tanken.de" im Durchschnitt etwa 1,45 Euro je Liter gezahlt werden, nach 1,35 Euro Anfang April. Der Preis für Dieselkraftstoff stieg im gleichen Zeitraum um mehr als zehn Prozent auf 1,30 Euro je Liter. Die Ursache ist ein starker Anstieg der Preise für Rohöl - eine Entwicklung, die selbst führende Opec-Staaten zum Umdenken bewegt. Auch die US-Regierung unter Präsident Donald Trump will einen Rückgang der Ölpreise.

DAS PASSIERTE AM ÖLMARKT:

Entscheidend für den jüngsten Anstieg der Ölpreise ist ein Rückgang der Fördermenge innerhalb der Organisation erdölexportierender Länder (Opec). Die schwere Wirtschaftskrise im Opec-Staat Venezuela sorgt für enorme Produktionsausfälle in dem Land mit den angeblich höchsten Ölreserven der Welt.

Der Engpass auf dem Ölmarkt könnte sich noch verstärken. US-Präsident Donald Trump hatte im Mai den Ausstieg aus dem Atomabkommen mit dem Iran angekündigt und damit neue Preisschübe am Ölmarkt ausgelöst. Der Ausstieg aus dem Abkommen hat amerikanische Sanktionen gegen das wichtige Förderland am Persischen Golf zur Folge, die zu einem Rückgang der iranischen Öllieferungen führen dürften.

Mitte Mai erreichte der Preis für Rohöl aus den USA bei mehr als 72 Dollar und der Preis für Nordsee-Öl bei über 80 Dollar je Barrel (159 Liter) jeweils den höchsten Stand seit Ende 2014. Seitdem kam es mehrfach zu Spekulationen, dass die Opec ihre gemeinsam mit anderen wichtigen Förderstaaten wie Russland beschlossene Förderkürzung lockern könnten, um die Preise zu drücken. Vertreter aus Saudi-Arabien und aus Russland hatten entsprechende Andeutungen gemacht und damit den jüngsten Höhenflug der Ölpreise vorerst gestoppt.

DAS SAGEN DIE EXPERTEN:

Wegen der Produktionsausfälle in Venezuela werde derzeit deutlich weniger Öl gefördert als vorgesehen und vom Markt benötigt, beschrieb Rohstoffexperte Eugen Weinberg von der Commerzbank die Lage. "Die Lage am Ölmarkt könnte sich noch verschärfen, wenn US-Sanktionen zu einem Rückgang der iranischen Ölexporte führen", warnte Weinberg in einer aktuellen Studie. Erst die Spekulationen über eine Ausweitung der Ölproduktion durch Saudi-Arabien und Russland ließen die Notierungen wieder fallen.

Rohstoffexperte Heinrich Peters von der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba) verwies auf die angespannte Lage in den USA. Hier drohe der Benzinpreis zu Beginn der Ferienzeit ein kritisches Niveau zu überschreiten. In den Vereinigten Staaten steigt in den Sommermonaten der Bedarf nach Benzin gewöhnlich stark an. Kurz vor den amerikanischen Parlamentswahlen im Herbst dürften nicht nur Präsident Trump und die Republikaner eine starkes Interesse haben, "die spekulativen Übertreibungen am Ölmarkt einzufangen", sagte Peters.

WIE GEHT ES WEITER?

Entscheidend für die weitere Entwicklung am Ölmarkt wird die mit Spannung erwartete Opec-Sitzung am 22. Juni in Wien sein. Hier soll über eine mögliche höhere Fördermenge gesprochen werden. Mit einer Anhebung der Produktionsziele könnten die Produktionsausfälle in Venezuela und dem Iran ausgeglichen werden.

Allerdings dürften die Verantwortlichen der Opec und Russlands eines ebenfalls im Blick haben: die immer höhere Fördermenge an Rohöl in den USA. Seit geraumer Zeit meldet die US-Regierung nahezu wöchentlich neue Rekordwerte. Zuletzt lag die amerikanische Fördermenge bei durchschnittlich 10,77 Millionen Barrel pro Tag und damit so hoch wie noch nie.

Während in den USA die Ölförderung mit Hilfe der umstrittenen Fracking-Methode auf hohen Touren läuft, äußerte Präsident Trump öffentlich seinen Unmut über die hohen Ölpreise. Über den Nachrichtendienst Twitter hatte er im April die Opec für den Preissprung verantwortlich gemacht und klargestellt, dass ein derartiges Verhalten nicht akzeptiert werde.

Offenbar versucht die US-Regierung mittlerweile, auf diplomatischen Kanälen auf eine höhere Fördermenge durch die Opec hinzuwirken. Laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Bloomberg soll die US-Regierung Saudi-Arabien und andere Opec-Länder um eine Ausweitung ihrer Förderung gebeten haben. Die Bemühungen hinter den Kulissen scheinen die gewünschte Wirkung zu zeigen. Die Ölpreise sind am Dienstag wieder ein Stück weit gefallen./jkr/bgf/fba