Offiziell stehen zwar noch keine Kandidaten fest. Es kursieren aber bereits mögliche Anwärter für die Spitzenposition in der europäischen Geldpolitik, überwiegend Notenbankchefs aus den einzelnen Euro-Ländern. Ein Überblick:

JENS WEIDMANN

Lange Zeit galt es als wahrscheinlich, dass die deutsche Regierung Bundesbank-Präsident Jens Weidmann ins Rennen schickt. Doch dann berichtete das "Handelsblatt" vergangene Woche, Bundeskanzlerin Angela Merkel wolle lieber die Position des EU-Kommissionschefs besetzen. Weidmann gilt als Verfechter einer strafferen Geldpolitik. Zur Zeit der Euro-Krise stemmte sich der promovierte Ökonom immer wieder gegen Beschlüsse der EZB, die ihre Geldpolitik massiv lockerte. Vorbehalte hatte er unter anderem gegen die großangelegten Staatsanleihenkäufe. Dies brachte dem ehemaligen Merkel-Berater in Deutschland zwar viel Zustimmung ein, in südlichen Euro-Ländern erntete er jedoch Kritik. Daher gilt der 50-Jährige in Ländern wie Italien oder Griechenland als schwer vermittelbar.

KLAAS KNOT

Der Chef der niederländischen Notenbank, Klaas Knot, wird ebenso zu den Verfechtern eines strafferen Kurses gezählt. Im Unterschied zu Weidmann gilt der promovierte Ökonom, der unter anderem eine Professur an der Universität Groningen innehat, aber als weniger strikt. Der 51-Jährige drängte zuletzt auf ein Ende der billionenschweren Anleihenkäufe. Von 2009 bis 2011 arbeitete er als Direktor Finanzmärkte für das Finanzministerium seines Landes. Gegen Knot spricht, dass die Niederlande bereits mit Wim Duisenberg in den Jahren 1998 bis 2003 den ersten EZB-Präsidenten gestellt haben.

FRANCOIS VILLEROY DE GALHAU

Auch der Franzose Francois Villeroy de Galhau wird als Kandidat gehandelt. Der 59-Jährige, der fließend deutsch spricht, ist seit November 2015 Chef der Banque de France. Er zählt weder klar zu den Vertretern einer strafferen Haltung noch steht er eindeutig für eine lockere Geldpolitik. Vor seinem Wechsel in die Notenbankwelt war der gebürtige Straßburger von 2011 bis 2015 bei der Großbank BNP Paribas zuständig für das operative Geschäft. Davor arbeitete er viele Jahre auf verschiedenen Positionen für die Regierung, unter anderem für das Finanzministerium. Von 1990 bis 1993 war er zum Beispiel Europa-Berater unter dem sozialistischen Ministerpräsidenten Pierre Beregovoy. Gegen ihn spricht, dass mit Jean-Claude Trichet von 2003 bis 2011 schon einmal ein Franzose an der Spitze der EZB stand.

PHILIP LANE

Irland könnte Philip Lane ins Rennen schicken. Der frühere Wirtschaftsprofessor am Trinity College in Dublin und an der amerikanischen Columbia Universität ist seit November 2015 Gouverneur der Central Bank of Ireland. Unter Analysten wird der 49-Jährige auch als heißer Kandidat für den ebenfalls im nächsten Jahr neu zu besetzenden Posten des EZB-Chefvolkswirts gehandelt. Denn die Amtszeit von Peter Praet endet im Mai 2019. Lane war zunächst auch einer der Bewerber für den Posten des EZB-Vizechefs, bis Irland die Kandidatur zurückzog. Neuer Draghi-Stellvertreter ist seit Juni Spaniens ehemaliger Wirtschaftsminister Luis de Guindos. Sollte Lanes rechte Hand in der heimischen Notenbank, Vizechefin Sharon Donnery, auf die Stelle der obersten EZB-Bankenwächterin rücken, gelten seine Chancen auf die Draghi-Nachfolge als gering.

OLLI REHN

Auch der Notenbank-Gouverneur Finnlands, Olli Rehn, zählt zu den möglichen Anwärtern. Der 56-Jährige war von 2015 bis 2016 Wirtschaftsminister seines Landes, bevor er nach einer langen politischen Karriere zur Notenbank wechselte. Einen Namen in Europa machte sich Rehn, der in Oxford in politischer Ökonomie promovierte, vor allem in seiner Zeit als EU-Wirtschafts- und Währungskommissar von 2010 bis 2014. Während der Euro-Krise galt er als Vermittler, der sowohl gute Beziehungen zu den verschuldeten Staaten als auch zu den kreditgebenden Ländern hielt. Rehn wird daher auch als ein möglicher Kompromisskandidat gesehen. Gegen ihn spricht seine nur kurze Zeit an der Spitze der heimischen Notenbank.

ARDO HANSSON

Estlands Notenbankchef Ardo Hansson wird ebenfalls häufig genannt. Der promovierte Ökonom arbeitete viele Jahre als Ökonom bei der Weltbank und beschäftigte sich dort mit osteuropäischen Ländern. Der 60-Jährige gilt als fachlich versiert und wird geldpolitisch eher den Befürwortern einer strafferen Ausrichtung zugerechnet. Hansson hat nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1992 als ökonomischer Berater maßgeblich an der Einführung einer neuen Währung in seinem Land mitgewirkt. Seit 2012 ist er Gouverneur der estnischen Notenbank. Für ihn könnte sprechen, dass das baltische Land bei der EZB bislang noch keine führende Position besetzten konnte. Allerdings hat die Finanzbranche des Landes kaum Gewicht im Euro-Raum. Estland hat erst 2011 als damals 17. Land den Euro eingeführt.