Autoboss Ola Källenius zeigte sich am Donnerstag im öffentlichen Zwiegespräch mit dem Grünen-Co-Vorsitzenden Robert Habeck am Rande der Automesse IAA zutiefst überzeugt von der Notwendigkeit emissionsfreier Fahrzeuge: "Man mag es nicht glauben - aber vor vier Jahren haben wir bei Mercedes den mentalen Hebel umgelegt. Wir haben schon entschieden, dass wir dieses CO2-Thema angehen wollen, und Mobilität nachhaltig machen wollen." Habeck wiederum legt so viel Verständnis für die Nöte der unter Klimaschutzdruck stehenden Autoindustrie an den Tag, dass Källenius ihm einen Job im Mercedes-Vertrieb nahelegt. "Ich hab was anderes vor", winkt der schnell ab.

Doch der Grünen-Politiker sagt nach einem mehrstündigen Rundgang auf der Messe, die etliche serienreife E-Autos zu bieten hat: "Das erkenne ich ausdrücklich an, dass die Konzerne Daimler und VW versuchen, das Ruder herumzureißen." Es sei auch im ureigensten Interesse der Industrie, dass ihr der Wechsel zu emissionsfreier Mobilität gelinge. Habeck versetzt sich auf Anregung von Moderatorin Dunja Hayali auch ohne Probleme in die Rolle des Daimler-Vorstandsvorsitzenden hinein, der seinen Aktionären sinkende Gewinne wegen hoher Entwicklungskosten erklären muss. Beim Shareholder-Value müsse es Abstriche geben, wenn der Autobauer für künftige Gewinne investieren müsse. "Neue Technologie kostet Geld mit der Chance, Marktanteile halten zu können", sagt Habeck. Källenius scherzt, das wolle er sich aufschreiben.

Habeck sekundiert auch, wenn es um Forderungen an die Regierungspolitik geht. Die Marktwirtschaft brauche richtige Rahmenbedingungen, sagt der als Realo geltende Grünen-Politiker. Die Politik müsse jetzt eine klare Richtungsentscheidung treffen, etwa für eine Bepreisung von Kohlendioxid (CO2), durch die E-Autos gefördert und Verbrenner verteuert werden. Regeln für den Aufbau von Ladeinfrastruktur müssten her. "Die Automobilkonzerne nehmen Milliarden in die Hand", betont Habeck. "Die Regulatorik zieht nicht nach. Wir brauchen Verbindlichkeit in der Politik, um die Investitionen rechtlich abzusichern."

Ganz ohne unterschiedliche Vorstellungen gehen die beiden 50-Jährigen dann doch nicht auseinander. Daimler plant derzeit mit einem E-Autoanteil am Pkw-Absatz von rund einem Viertel bis 2025, der bis 2030 auf 50 Prozent steigen soll. Wenn die Elektroautos bis dahin so günstig und leistungsfähig seien, dass schon so viele Menschen sie anschafften, warum sollten die anderen 50 Prozent noch Verbrennerautos kaufen, fragt Habeck. Alles könne doch viel schneller gehen, und das Aus des Verbrenners 2030, wie von den Grünen gefordert, Realität werden.

Derart mitreißen lässt sich der klimaschutzgeläuterte Daimler-Chef dann doch nicht. Die Absatzprognose gelte für den Weltmarkt, wo nicht alle Länder so schnell im Klimaschutz voranschritten wie Deutschland vielleicht. Aber auch für Deutschland wäre eine Annahme über 100 Prozent E-Auto-Quote in zehn Jahren viel zu optimistisch, sagt Källenius. Schließlich seien Erwartungen über die Akzeptanz der E-Autos ein Blick in die Glaskugel. Ohne einen zusätzlichen Techniksprung bei Batterien seien die E-Autos in zehn Jahren aber immer noch teurer als Verbrenner in der Herstellung. "Wir versuchen, es herbeizuführen - aber exakt sagen, wie es 2027 aussieht, können wir nicht", bleibt Källenius vorsichtig.