BERLIN/HANNOVER (dpa-AFX) - Bernhard Mattes will vorzeitig von der Spitze des Auto-Branchenverbands VDA abtreten - ausgerechnet zur wichtigen Branchenmesse IAA muss sich die Lobbyorganisation nun nach einem Nachfolger umsehen. Gegen Mattes hatte es zuletzt Widerstand bei einigen Mitgliedsunternehmen gegeben. Vertreter der Autozulieferer würdigten am Freitag aber auch die Arbeit des früheren Ford-Managers.

Bereits im Frühjahr war in Industriekreisen rund um den Richtungsstreit bei der Elektrostrategie der Branche Kritik an Mattes laut geworden. Mitglieder hatten ihn unter Druck gesetzt, stärker an einem Konsens unter den Autobauern einerseits sowie den Herstellern und Zulieferern andererseits zu arbeiten. Wer auf Mattes beim Verband der Automobilindustrie (VDA) folgt, ist noch nicht bekannt. In Medienberichten kursiert der Name von EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger als möglicher Kandidat.

Im VDA sind neben den Autoherstellern auch die vielen deutschen Zulieferer organisiert - eine gemeinsame Linie im Umbruch ist schwer zu finden. Manche Unternehmen wie zum Beispiel ZF, Daimler und BMW setzen stark auf Hybridantriebe, der Branchenführer Volkswagen dagegen inzwischen vorwiegend auf rein elektrische Autos.

Aus Branchenkreisen war am Freitag zu hören, es solle maßgeblich Kritik von VW gewesen sein, die letztlich zum Rücktritt des 63-Jährigen führte. Kürzlich hatte auch der "Spiegel" unter Berufung auf einen hochrangigen Manager berichtet, dass man "Defizite in der politischen Unterstützung" für die Industrie sehe: Der VDA verkaufe sich unter Wert, Mattes sei nicht eng genug mit den Entscheidungsträgern in Berlin und Brüssel vernetzt.

Es gab jedoch auch Anerkennung für die Arbeit des früheren Ford-Deutschland-Chefs. "Die Orientierung an den Bedürfnissen der gesamten Industrie in einer Zeit großer Umbrüche hat seine Amtszeit ausgezeichnet", sagte der Chef des Zulieferers Bosch, Volkmar Denner. "Ich bedaure den Rücktritt von Herrn Mattes."

Nach Meinung Denners hat Mattes viel für die Industrie getan: "Mit der Öffnung des VDA für offenen Austausch auch mit Kritikern hat er zuletzt einen wichtigen Impuls gesetzt. Auf diesem Weg sollten wir voranschreiten." Der Ex-Ford-Manager hatte in der vergangenen Woche am VDA-Sitz in Berlin das Gespräch mit Klimaschützern gesucht, die zur Messe IAA für dieses Wochenende große Proteste ankündigten. Er sagte, er wolle einen gesellschaftlichen Dialog in Gang bringen.

Der zweitgrößte deutsche Autozulieferer Continental beurteilte Mattes' Arbeit ebenfalls positiv. "Mit Bedauern haben wir die überraschende Ankündigung zur Kenntnis genommen", sagte Vorstandschef Elmar Degenhart. "Ruhig, sachlich und zielorientiert hat er versucht, dem Verband eine einheitliche Stimme zu geben, und das zu einem Zeitpunkt, in dem Wirtschaft, Gesellschaft und Politik einen extrem hohen Anspruch an unsere Industrie stellen."

Seit dem Beginn des Dieselskandals 2015 war die Kritik an der Branche stark gewachsen - und dem VDA eine zu große Nähe zur Politik vorgeworfen worden. Schon vor der Rücktrittsankündigung soll der Name Günther Oettinger als potenzieller VDA-Präsident die Runde gemacht haben. Oettinger gibt im November seinen Posten als EU-Kommissar auf. Aus Verbandskreisen hieß es indes, mit dem CDU-Politiker habe bislang niemand gesprochen - andere Favoriten gebe es aber auch noch nicht. Die nächste reguläre Präsidiumssitzung des VDA ist im November.

"Ich bin bisher für den Posten nicht gefragt worden", sagte Oettinger der "Stuttgarter Zeitung" und den "Stuttgarter Nachrichten". "Ich bin vor zwei Jahren gefragt worden, als ein Nachfolger für Matthias Wissmann gesucht wurde. Damals habe ich aber abgelehnt." Mattes löste den langjährigen VDA-Chef Wissmann ab, der frühere CDU-Verkehrsminister wiederum hatte den Posten 2007 übernommen.

Einzelne Autohersteller wie BMW, Daimler, VW oder Porsche wollten die Personalie Mattes und die Chancen für einen möglichen Nachfolger Oettinger am Freitag nicht kommentieren. Aus zwei Unternehmen hieß es jedoch, der Abgang von Mattes sei ziemlich überraschend gekommen.

Zur Automesse IAA in Frankfurt, die der VDA veranstaltet, hatten sich einige Aussteller kritisch geäußert. Sie bezweifeln, dass das Konzept der Messe so erhalten werden kann - in der Diskussion soll nun unter anderem ein Format sein, das auch andere Städte einschließt und keine reine Auto-Präsentation mehr ist. "Es gibt keine Bestandsgarantie", sagte BMW-Finanzvorstand Nicolas Peter dem "Handelsblatt". Opel-Chef Michael Lohscheller hat bereits konkrete Verbesserungsvorschläge, er will während der Messe die gezeigten Autos auch verkaufen können.

Der VDA ist eine der einflussreichsten Lobbyorganisationen in Deutschland, und die Autobranche mit mehr als 800 000 direkt Beschäftigten ist eine Schlüsselindustrie./jap/DP/jsl