Bis Mittwochmittag gaben rund 53 Prozent der Deutsche-Börse-Aktionäre grünes Licht für die Fusion. Zudem sprach sich Bundesbank-Vorstand Andreas Dombret dafür aus, die Verschmelzung gerade nach der Brexit-Entscheidung durchzuziehen. "Es mag zunächst bizarr klingen, aber ein solcher Zusammenschluss macht nach dem Referendum wirtschaftlich noch mehr Sinn", sagte Dombret in Frankfurt. Wenn Großbritannien die EU verlasse, seien Brücken zwischen den Volkswirtschaften wichtiger denn je. "Die angekündigte Fusion zwischen LSE und Deutscher Börse hat das Potenzial, eine solche Brücke zu werden."

Die größte verbliebene Hürde für die Börsen-Fusion ist die Zustimmung der Aufsichtsbehörden - allen voran der hessischen Börsenaufsicht und der EU-Kommission. Aus Sicht von BaFin-Präsident Felix Hufeld ist die Fusion schwer vorstellbar, wenn die Mega-Börse anschließend wie geplant in London angesiedelt wird. Die Deutsche Börse spricht deshalb mit der LSE über eine Verlagerung des Firmensitzes in die EU beziehungsweise über die Schaffung eines doppelten Firmensitzes für die Holding, wie mehrere mit der Fusion vertraute Personen der Nachrichtenagentur Reuters sagten.

Dombret ist der bisher ranghöchster deutsche Amtsträger, der sich deutlich für den rund 25 Milliarden Euro schweren Zusammenschluss ausspricht. Doch auch er hält Anpassungen für angebracht. "Die betroffenen Parteien müssen eine Unternehmensstruktur finden, in denen alle vernünftigen Interessen berücksichtigt werden - selbst wenn dies zulasten von Synergien gehen sollte." Ein doppelter Firmensitz würde aus Sicht von Experten mehr Geld kosten als die Ansiedlung der Holdinggesellschaft in London. Zudem müsste das Unternehmen Investoren zufolge wohl etwas mehr Steuern bezahlen.

EUROPÄISCHE ALLIANZ GEGEN BÖRSEN-FUSION

Im europäischen Ausland regt sich weiter Widerstand gegen die Fusion. Nach Frankreich forderten auch Portugal und Belgien die EU-Kommission auf, den Deal zu untersagen. Er beeinträchtige den Wettbewerb zwischen den europäischen Börsen, erklärte Portugals Finanzminister Mario Centeno in einem Schreiben an EU-Kommissarin Margrethe Vestager, das Reuters am Mittwoch vorlag. Die Börsen in Lissabon und Brüssel gehören - wie Paris und Amsterdam - zum Mehrländerkonzern Euronext, der bei einer deutsch-britischen Börsen-Hochzeit noch stärker ins Hintertreffen geraten würde.[L8N19Z40T]

Im Schlagabtausch zwischen Frankfurt und Paris geht es auch darum, wer sich das billionenschwere Abwicklungsgeschäft von Euro-Derivaten aus London sichert. Dieses Geschäft könne nach dem Brexit nicht mehr von Großbritannien aus betrieben werden, bekräftigte Dombret. Bei einer Fusion von Deutscher Börse und LSE erwarten Experten, dass dieses Geschäft nach Frankfurt wandert. Platzt der Deal, dürfte Paris den Zuschlag bekommen, schließlich hat die betroffene LSE-Tochter LCH.Clearnet einen kleinen Ableger in der französischen Hauptstadt.

Um bei der Zustimmung ihrer Aktionäre auf Nummer sichern zu gehen, hatte die Deutsche Börse die Mindestannahmequote am Montag von 75 auf 60 Prozent gesenkt und die Annahmefrist um zwei Wochen verlängert. Sie will so sicherstellen, dass auch Indexfonds von großen Anbietern wie Blackrock ihre Papiere andienen. Viele Fonds, die den deutschen Leitindex Dax abbilden, können ihre Aktien bei Übernahmeangeboten erst andienen, wenn die Schwelle von 50 Prozent überschritten ist. Das ist nun der Fall, so dass die Zustimmungsquote rasch wachsen dürfte. Indexfonds halten bis zu 15 Prozent an dem Unternehmen. Die LSE-Aktionäre haben bereits Anfang des Monats grünes Licht für die Fusion gegeben.