MÜNCHEN (dpa-AFX) - Auch Deutschlands größter Agrarhändler Baywa kann sich der Corona-Krise nicht entziehen. Wegen der hohen Unsicherheiten durch die Pandemie wagt der im SDax notierte Konzern derzeit keine Prognose für den weiteren Geschäftsverlauf in diesem Jahr. Ungeachtet dessen hat Konzernchef Klaus Josef Lutz die Münchener in den letzten Jahren aber konsequent auf Wachstum ausgerichtet und weitere Felder für das Unternehmen erschlossen. Was momentan bei Baywa los ist, wie Analysten die Perspektiven bewerten und wie sich die Aktie entwickelt hat.

DAS IST LOS IM UNTERNEHMEN:

Bei der Vorlage der Zahlen für das erste Geschäftsquartal warnte Baywa im Mai davor, dass insbesondere im zweiten Halbjahr mit zunehmenden Einschränkungen der Lieferfähigkeit zu rechnen sein könnte - sofern die Ausbreitung des Virus nicht im ersten Halbjahr gestoppt werden könne. Ob die Sorgen angebracht sind, wird sich noch zeigen.

Im ersten Jahresviertel, das saisontypisch schwach ausfiel, war das operative Ergebnis jedenfalls klar negativ und auch der Umsatz sank. Ein schwaches erstes Quartal ist für Baywa allerdings üblich: Da im Winter die Landwirtschaft ruht, ruht auch der Agrarhandel weitgehend. Im weiteren Jahresverlauf fallen die Ergebnisse dann in aller Regel aber deutlich besser aus.

Der Konzern hat mit den Segmenten Energie und Bau zwar noch weitere Standbeine, doch ist der Agrarhandel nach wie vor das umsatzmäßig größte Geschäftsfeld der Münchener, an deren Spitze Lutz steht. Der Vertrag des Vorstandschefs wurde erst vor wenigen Monaten vorzeitig um drei Jahre bis 2025 verlängert. Der Manager führt Baywa bereits seit 2008.

Ihm gelang es, den Umsatz seither nahezu zu verdoppeln. Das Münchner Unternehmen ist international ein großer Händler für Getreide und Obst, in Deutschland beliefert Baywa vor allem im Süden viele Bauern mit Saatgut, Dünger und Landtechnik. Aber Lutz hat auch die Expansion von Baywa in neue Felder konsequent vorangetrieben, vor allem die Projektierung und den Bau von Ökostromanlagen. Das Unternehmen plant und baut in Europa und Übersee Windparks und Solaranlagen.

Das spielte dem Konzern zuletzt in die Karten: Im vergangenen Jahr hatten gute Geschäfte mit dem Bau von Ökostrom-Kraftwerken Baywa einen deutlichen Gewinnsprung beschert. Und Lutz rechnet mit weiter steigender Nachfrage nach Wind- und Solaranlagen. Baywa ist derzeit auf der Suche nach einem Investor für einen Minderheitsanteil im Geschäft mit den Alternativen Energien und will sich damit nach früheren Angaben rund eine halbe Milliarde Euro sichern.

Sah es Ende November so aus, als könnte der Verkauf eines 49-Prozent-Anteils schnell gehen und lukrativ ausfallen, kam dem Unternehmen dann aber etwas in die Quere. Kürzlich berichtete das "Manager-Magazin", die interessierte Deutsche-Bank-Tochter DWS sei wegen des Preises letztlich wieder zurückgeschreckt. Zuletzt meldete die Baywa dann kurz vor Weihnachten, dass Verhandlungen über den Einstieg von Investoren anhielten und bis Ende des ersten Quartals 2020 abgeschlossen werden sollten. Daraus wurde aber bis dato nichts.

Für Aufsehen sorgte im März der Vorstoß des Unternehmens, vor Gericht 73 Millionen Euro Schadenersatz vom Bundeskartellamt erstreiten zu wollen. Der Konzernchef warf der Bundesbehörde dabei einen Verstoß gegen die Grundsätze von Gleichbehandlung und fairem Verfahren vor. Anlass ist ein kürzlich abgeschlossenes Kartellverfahren bei Pflanzenschutzmitteln, das für Baywa mit einer Geldbuße von knapp 69 Millionen Euro endete. Die Behörde wies die Vorwürfe zurück und erklärte, das Unternehmen habe jederzeit die Möglichkeit gehabt, sich von seinen Taten zu distanzieren.

Das Kartellamt hatte in dem Fall wegen verbotener Preisabsprachen ermittelt und mehreren beteiligten Unternehmen hohe Geldbußen auferlegt. Baywa wirft einem Kartellamts-Mitarbeiter vor, drei konkurrierende Agrarhändler vorab über einen anonymen Hinweis informiert zu haben - weswegen diese drei Firmen laut Baywa dann Kronzeugenantrag stellen konnten und straffrei ausgingen.

DAS SAGEN DIE ANALYSTEN:

Unter den Marktbeobachtern, die sich zuletzt näher mit dem Agrarhändler befasst haben, herrscht Uneinigkeit über die weiteren Entwicklungsperspektiven. Von den drei im dpa-AFX-Analyser erfassten Analysten spricht sich jeweils einer dafür aus, die Papiere zu kaufen, sie zu halten, oder sich von ihnen zu trennen.

Aus Sicht von DZ-Bank-Analyst Axel Herlinghaus ist der Jahresstart von Baywa unaufgeregt und weitgehend "Covid-robust" verlaufen. Unter Berücksichtigung der üblichen saisonalen Schwankungen, insbesondere im Agrar-Geschäft, hätten die Zahlen im Rahmen der Erwartungen gelegen, befand er.

Dagegen könnte die hohe Nettoverschuldung nach Einschätzung von Oliver Schwarz vom Analysehaus Warburg Research zur Belastung für den Agrarhändler werden. Er geht nun davon aus, dass die Virus-Pandemie einen größeren Einfluss auf die Verkaufspreise, die Logistik und die Verfügbarkeit von Produkten haben wird als ursprünglich angenommen.

Die Investmentbank Oddo BHF attestiert Baywa derweil zwar einen recht soliden Start in das neue Jahr. Doch ungeachtet dessen hält Analyst Roland Pfänder die Bewertung der Aktie inzwischen für ausgereizt.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Für Investoren steht es im laufenden Jahr pari. Aktuell liegt die Aktie mit 28,25 Euro auf dem Stand von Ende 2019. Zwar ging es für die Papiere im Zuge des Corona-Crashes von fast 30 Euro Mitte Februar bis auf nur noch knapp 21 Euro Mitte März in den Keller. Doch nach diesem herben Verlust von rund einem Drittel setzten die Anteilscheine zu einer deutlichen Erholung an. Bis Ende März ging es mit fast 29 Euro beinahe auf das Vor-Krisen-Niveau zurück.

Im Anschluss mussten die Titel allerdings einen weiteren Rücksetzer auf unter 25 Euro verkraften, ehe es seit Anfang April weitgehend kontinuierlich wieder bergauf ging. Vom Mehrjahreshoch von rund 41 Euro, das Baywa Anfang Juli 2014 erreichte, sind die Anteilscheine derzeit mit gut 28 Euro aber noch meilenweit entfernt. Auf längere Sicht ist die Entwicklung der Titel negativ: So steht in den zurückliegenden drei Jahren ein Minus von rund 12 Prozent zu Buche.

Mit einer Marktkapitalisierung von knapp einer Milliarde Euro gehört Baywa zu den kleineren Titeln im Nebenwerteindex SDax. Zum Vergleich: Der dort ebenfalls angesiedelte Saatgutkonzern KWS Saat bringt es in Sachen Börsenwert auf rund 2,2 Milliarden Euro und damit fast das Doppelte auf die Waage./eas/men/he