EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker und US-Präsident Donald Trump einigten sich in Washington überraschend, vorerst auf Sonderzölle auf europäische Autos zu verzichten. Stattdessen soll es Verhandlungen zum Abbau von Handelsbarrieren geben. An den Finanzmärkten wurde die Abmachung teilweise euphorisch aufgenommen: Der Leitindex Dax legte in Frankfurt rund 1,5 Prozent zu, Auto-Aktien stiegen zeitweise um mehr als fünf Prozent. Aus Politik und Wirtschaft kamen positive, aber auch skeptische Töne. "Die Kuh ist noch endgültig vom Eis", warnte Wirtschaftsminister Peter Altmaier.

Trump und Juncker hatten im Vorfeld ihres mehrstündigen Gesprächs am Mittwochabend im Weißen Haus die Aussichten auf einen Erfolg selbst als gering bezeichnet. Altmaier bescheinigte Juncker daher eine "großartige" Verhandlungsführung. Geplant ist nun, rasch über einen umfassenden Zollabbau - speziell für Industriegüter - zu verhandeln. Die Europäer gingen auf Trump zu mit der Absichtserklärung zu, mehr Sojabohnen und Flüssiggas (LNG) aus den USA einführen zu wollen. Allerdings setzen sie nach Angaben von EU-Diplomaten dabei vor allem deswegen auf eine wachsende Nachfrage nach dem US-Agrargut, weil dessen Preise sinken. Dies ist ein Effekt der Zölle, mit denen China inzwischen US-Produkte belastet. Insofern ist die EU-Zusage zu den Soja-Einfuhren eher symbolisch, sagte ein Analyst. Trump steht derzeit insbesondere von Landwirten unter Druck, weil deren Soja-Geschäfte mit China massiv unter dem Handelsstreit leiden. Auch die führenden US-Autobauer spüren Auswirkungen des Konflikts um zusätzliche Stahl- und Aluminiumzölle. So haben Ford und General Motors gerade ihre Geschäftsprognosen gesenkt.

Für die deutsche Wirtschaft mit Aushängeschildern wie Daimler und BMW ist vor allem der vorläufige Verzicht auf Auto-Sonderzölle entscheidend. "Wenn die weitere Entwicklung dem folgen wird, was heute Morgen in dieser kurz anberaumten Pressekonferenz erläutert wurde, dann ist das ohne Zweifel eine sehr erfreuliche Nachricht", sagte Daimler-Chef Dieter Zetsche. "Damit besteht eine reale Chance, zusätzliche Zölle oder gar einen Handelskrieg zwischen den USA und der EU zu verhindern", gab sich der Autoverband VDA erleichtert. Ähnlich äußerte sich der Industrieverband: "Die Zollspirale im transatlantischen Handel scheint vorerst gestoppt", sagte BDI-Präsident Dieter Kempf. Allerdings müssten nun den Worten auch Taten folgen. Zurückhaltender zeigte sich der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Eric Schweitzer: "Die in Aussicht gestellten Lösungen gehen in die richtige Richtung, aber eine gehörige Portion Skepsis bleibt." Auch der Außenhandelsverband BGA blieb bei der Bewertung der Verständigung vorsichtig.

FRANKREICH WILL LANDWIRTSCHAFT SCHÜTZEN

EZB-Präsident Mario Draghi sagte, es sei zu früh, um die Vereinbarung von Trump und Juncker zu bewerten. "Aber im Grundsatz ist es ein gutes Zeichen", sagte er. Für die Bundesregierung lobte Altmaier Juncker und EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström. "Zölle runter, nicht rauf", twitterte er. Wichtig sei vor allem, dass es erstmal keine US-Autozölle geben werde, wohl aber die Chance auf Aufhebung der Stahl- und Aluminiumzölle. Bis zu einer endgültigen Lösung des Handelsstreits seien aber noch schwierige Verhandlungen nötig. SPD-Chefin Andrea Nahles sprach von einem Aufschub, den die Europäer bei neuen US-Zöllen erhalten hätten. Noch sei das eigentliche Ziel nicht erreicht.

Europa steht zudem womöglich nicht geschlossen hinter dem Juncker-Deal. Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire sagte, sein Land wolle nicht in umfassende Verhandlungen einsteigen. Die Landwirtschaft müsse von allen Verhandlungen ausgeschlossen werden. Zudem müssten die USA bei den von ihnen verhängten Stahl- und Aluminiumzöllen eine Geste des guten Willens zeigen.

US-Finanzminister Steven Mnuchin nannte die Beseitigung der Stahl- und Aluminiumzölle gegenüber der EU im Sender CNBC den nun anstehenden ersten Schritt. Die Einzelheiten einer umfassenderen Handelsvereinbarung würden dann mit der Zeit folgen. Auch mit China werde abseits der Scheinwerfer weiter gesprochen. Unterdessen rief Chinas Präsident Xi Jingping beim Gipfel der Schwellenländergruppe BRICS in Südafrika die großen globalen Institutionen wie die Vereinten Nationen, die G7-Gruppe und die Welthandelsorganisation zu gemeinsamen Bemühungen auf, um den Unilateralismus und den Protektionismus zu bekämpfen.

HAT JUNCKER ZU VIEL VERSPROCHEN?

Auch unter Wirtschaftsexperten fiel das Echo gemischt aus. Gabriel Felbermayr vom Münchner Ifo-Institut sagte der Nachrichtenagentur Reuters zu der Möglichkeit eines transatlantischen Handelsabkommens: "Wenn man den politischen Willen hat, kann man in einem halben Jahr mit einem Text kommen." Unterschriftsreif könnte eine solche Abmachung dann in einem Jahr sein. Der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher, sieht zwar eine Entspannung. "Es gibt aber noch keine Entwarnung." Er rechnet damit, dass Trump weiter das Thema Strafzölle für deutsche Autos als Druckmittel einsetzt.

Offen bleibt zudem, wie die EU-Zusagen - etwa für mehr Flüssiggas-Importe aus den USA - umgesetzt werden können. Die deutsche Energiebranche reagierte bereits zurückhaltend. "LNG ist immer eine Preisfrage. Und aktuell sind die LNG-Lieferungen aus den USA im Vergleich zu anderen Gasquellen für uns nicht wettbewerbsfähig", sagte etwa der Finanzchef des Energiekonzerns EnBW, Thomas Kusterer.