"Nach der ersten Jahreshälfte fällt die Bilanz auf den internationalen Automobilmärkten durchweg positiv aus", erklärte der Verband der Automobilindustrie (VDA) am Dienstag. In den drei größten Märkten China, USA und Europa seien mit 28,8 Millionen Fahrzeugen eine Million mehr Neuwagen verkauft worden als vor Jahresfrist. "Hinter uns liegt das beste erste Halbjahr der Unternehmensgeschichte", erklärte auch der Vertriebschef des Volkswagen-Konzerns, Fred Kappler. Europas größter Autobauer verkaufte weltweit 5,5 Millionen Fahrzeuge, ein Plus von gut sieben Prozent.

Volkswagen, Ausgangspunkt der noch immer schwelenden Dieselkrise, kämpft jedoch mit neuen Störfaktoren, die im zweiten Halbjahr noch stärker durchschlagen könnten: Die ab Juli geltende Zollsenkung in China von 25 auf 15 Prozent habe im Juni zu Kaufzurückhaltung geführt, weil die Kunden auf niedrigere Preise warten. Auf dem größten Automarkt sank der VW-Konzernabsatz um 2,2 Prozent auf zwei Millionen, wobei die Premiumtöchter Audi und Porsche mit Rückgängen um jeweils sieben Prozent am stärksten betroffen waren. Als Reaktion auf höhere Zölle der USA erhebt China seit dem 6. Juli auf US-Autoimporte so wie auf viele andere Waren 25 Prozent Zoll zusätzlich, also auf Pkw dann insgesamt 40 Prozent. Das betrifft zwar Volkswagen kaum, aber Daimler und BMW, weil sie einige SUV-Modelle in Amerika fertigen. Für Daimler war das einer von mehreren Gründen, im Juni vor einem leichten operativen Gewinnrückgang im Gesamtjahr zu warnen. US-Präsident Donald Trump drohte im Handelsstreit außerdem mit 20 Prozent Zoll auf importierte Autos aus Europa - wie sämtliche Porsche-Modelle oder die Luxuslimousine Mercedes S-Klasse.

PRÜFVERFAHREN WLTP BREMST IN EUROPA

Ein Bremsblock ist außerdem die Pflicht für die Autobauer in Europa, ab September alle Neuwagen nach dem strengeren Prüfverfahren WLTP (Worldwide harmonised light vehicles test procedure) für Spritverbrauch und Abgase zu zertifizieren. Die Hersteller beklagten, mit einem Vorlauf von gut einem Jahr die genauen Vorgaben der EU spät erhalten zu haben. Die Zeit für die im Vergleich zum bisherigen Verfahren NEFZ viel aufwendigeren Tests war damit zu knapp, vor den Prüfständen wächst der Stau. VW erklärte, konzernweit werden bis zu eine Viertelmillion Fahrzeuge deshalb später als geplant gebaut. "Dieses eingeschränkte Neuwagenangebot droht den Neuwagenabsatz im zweiten Halbjahr deutlich zu bremsen", erklärte Peter Fuß, Autoexperte vom Beratungsunternehmen EY.

Außerdem werde das Auslaufen der Dieselprämien, also die Rabatte auf Neuwagen bei Verschrottung eines Selbstzünders, nicht länger den deutschen Markt ankurbeln, erwartet Fuß. Und in den großen Absatzmärkten Italien und Großbritannien verfestige sich der Abwärtstrend. "Der EU-Markt bleibt insgesamt im Wachstumsmodus, allerdings scheint die Autokonjunktur einen Gang zurückzuschalten", erklärte der Berater. In den fünf größten Absatzmärkten in Europa seien die Diesel-Neuzulassungen um 17 Prozent von Januar bis Juni gesunken. "Die Dieselkrise ist längst nicht überwunden", erklärte Fuß. Durch immer neue Meldungen zu vermeintlichen oder tatsächlichen Manipulationen beruhige sich die Lage nicht. Der Chef des Deutschland-Vertriebs der Marke VW, Thomas Zahn, erklärte unterdessen gegenüber dem "Handelsblatt", bei den Auftragseingängen steige mit dem Angebot der neuesten, sauberen Modelle der Diesel-Anteil wieder.

Für die deutschen Premiumhersteller lief das erste Halbjahr in Europa bereits enttäuschend im Vergleich zum Gesamtmarkt. Während der europäische Herstellerverband ACEA für die EU-Länder insgesamt ein Absatzplus von knapp drei Prozent auf 8,4 Millionen Autos zählte, mussten Audi, BMW und Daimler Federn lassen. Mercedes-Benz erlitt mit 1,9 Prozent den stärksten Rückgang, lag nach absoluten Zahlen mit knapp 439.000 Pkw aber noch vor Audi (421.000) und BMW (410.000).

Volumenhersteller hingegen legten deutlich zu: Der VW-Absatz stieg um 9,4 Prozent, bei der spanischen Konzernschwester Seat rollte fast ein Fünftel mehr Neuwagen vom Band. Der VW-Konzern konnte seine führende Marktstellung um gut einen Prozentpunkt auf 24,4 Prozent steigern. Der zweitplatzierte Opel-Mutterkonzern PSA baute seinen Marktanteil durch die Übernahme der Marke mit dem Blitz um sechs Prozentpunkte auf 16,3 Prozent aus, wobei die Hauptmarke Peugeot um fast neun Prozent zulegte. Der Marktanteil von Opel lag bei 5,8 Prozent, Vergleichszahlen gibt es in diesem Jahr nicht.