Zwar wollen die Konzerne die Flotten-Erneuerung mit Umtauschprämien vorantreiben, eine Nachrüstung älterer Diesel traf aber am Dienstag auf Skepsis und Widerstand. BMW lehnt eine Nachrüstung komplett ab, Daimler und Opel reagierten zurückhaltend. VW wiederum verlangte dafür die Beteiligung aller Hersteller und will zudem die Kosten nicht komplett tragen. Genau darauf besteht aber der Bund: "Das ist ein Programm, das von der Autoindustrie finanziert werden soll", sagte Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) in Berlin. Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) sprach von einer Chance für die Branche, Vertrauen zu gewinnen: "Die Autoindustrie muss das Signal verstehen." Umweltverbände kritisierten das Konzept als Null-Lösung. Auch ADAC und Städtetag blieben skeptisch.

Kanzlerin Angela Merkel hatte ein neues Diesel-Konzept mit Nachrüstungen für alte Fahrzeuge verlangt, da zuletzt in Frankfurt am Main Fahrverbote wegen der Stickoxid(NOx)-Belastung drohten. Der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier, der sich diesen Monat Landtagswahlen stellen muss, zeigte sich erleichtert: "Die Regierung hat Handlungsfähigkeit bewiesen." Er gehe davon aus, dass weitere Fahrverbote vermieden werden könnten. Sollte dies in Frankfurt nicht zu vermeiden sein, werde auch hier das Angebot zu Umtauschprämien und Nachrüstungen greifen.

KOALITIONSSPITZEN RANGEN SECHS STUNDEN UM DIESELKONZEPT

Nachdem mehrere Gesprächsrunden der Regierung zum Diesel ohne Ergebnis blieben, verständigten sich die Koalitionsspitzen in der Nacht zum Dienstag nach stundenlangen Beratungen auf ein Konzept: Es sieht zum einen Umtauschprämien der Industrie in 14 besonders mit NOx-belasteten Regionen vor. Dabei sollen Autos der Abgas-Normen Euro-4 und Euro-5 auch in Gebrauchte mit geringerem NOx-Ausstoß getauscht werden können. Bis zu 200.000 Lieferwagen in Städten mit überhöhten NOx-Werten sollen mit Katalysatoren nachgerüstet werden. Hier will der Bund 80 Prozent der Kosten tragen. Über den Rest muss auch mit der Industrie verhandelt werden.

Diese Hardware-Nachrüstungen sollen nach dem Willen der Regierung auch für Euro-5-Diesel angeboten werden, wovon in den besonders belasteten 14 Regionen etwa 1,4 Millionen unterwegs sind. Die Kosten von um die 3000 Euro pro Auto will die Regierung den Herstellern überlassen. Dafür will der Bund die rechtlichen Rahmenbedingungen auch für die Zulassung erlassen. Ziel ist, den NOx-Ausstoß unter 270 Milligramm pro Kilometer zu drücken. Solche Autos sollen durch rechtliche Änderungen dann auch in Städte mit Fahrverboten einfahren dürfen. Im Schnitt stoßen Euro-5-Autos derzeit rund 900 Milligramm aus. Die Kontrolle der Fahrzeuge in Verbotszonen soll über das Kennzeichen laufen, über das die Behörden Rückschlüsse auf Typ und Schadstoffausstoß bekommen sollen. Die umstrittene "Blaue Plakette" zur Kennzeichnung sauberer Fahrzeuge würde so unnötig.

"DOPPELTE NULLLÖSUNG"

Die Autoindustrie hält Nachrüstungen jedoch für den falschen Weg: Sie seien technisch aufwendig, die Leistung sinke und der Verbrauch steige. Die Umsetzung dauere zudem lange. Schließlich sei die Haftungsfrage nach den Eingriffen unklar. Volkswagen äußerte sich mit Blick auch auf die Finanzierung hier noch vergleichsweise kooperationsbereit. Allerdings: "Im Hinblick auf die Nachrüstung gehen wir davon aus, dass die Bundesregierung sicherstellt, dass sich alle Hersteller an den entsprechenden Maßnahmen beteiligen", sagte ein VW-Sprecher. BMW lehnt die Nachrüstung jedoch komplett ab, Daimler und Opel blieben zurückhaltend. Auch die ausländischen Hersteller signalisierten der Regierung kein Entgegenkommen.

Entsprechend scharf fiel die Reaktion von Umweltgruppen wie der Deutschen Umwelthilfe (DUH) aus. Die Umtauschprämie sei nicht ausreichend an saubere Autos gekoppelt, die Nachrüstung bleibe offen. "Fahrverbote lassen sich mit dieser doppelten Nulllösung nicht vermeiden", sagte DUH-Chef Jürgen Resch voraus. Die DUH hat bereits in mehreren Städten Verbote per Gerichtsentscheidung durchgesetzt.

Der Deutsche Städtetag bemängelte, das NOx-Problem werde nicht grundlegend gelöst. Es sei sowohl offen, ob Fahrverbote so vermieden werden könnten und ob das Konzept umsetzbar sei, sagte Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy. Der ADAC lobt, der Bund habe endlich ein Signal für Hardware-Nachrüstungen gesetzt. Der Ball liege nun im Feld der Konzerne, sagte Vize-Präsident Ulrich Klaus Becker. "Erst wenn deren Angebote verbindlich auf dem Tisch liegen, wissen die Verbraucher, was die Beschlüsse der Koalition tatsächlich wert sind."