MÜNCHEN/WASHINGTON (dpa-AFX) - Die Gefahr von US-Strafzöllen auf europäische Autos wächst. Kanzlerin Angela Merkel kritisierte am Samstag scharf, dass die US-Regierung offensichtlich europäische Fahrzeuge als Bedrohung für die nationale Sicherheit der USA einstufen will. Das gäbe Präsident Donald Trump die Möglichkeit, neue Sonderzölle einzuführen. Besonders betroffen wären davon laut einer Studie des Münchner ifo Instituts die deutschen Hersteller.

Bis zu diesem Sonntag sollte das US-Handelsministerium eine Einschätzung dazu vorlegen, ob der Import von Autos und Zulieferteilen die nationale Sicherheit des Landes beeinträchtigt. Kommt das Ministerium offiziell zu diesem Schluss, könnte Trump binnen 90 Tagen darüber befinden, ob er Sonderzölle erheben will.

Die Bundesregierung rechnet damit, dass die Behörde in der Tat die Einfuhren als Gefahr einstuft. Der Bericht liege dem Weißen Haus bereits vor, berichtete das "Handelsblatt". Wann genau die Entscheidung des Ministeriums öffentlich wird, ist bislang unklar. An diesem Montag ist in den USA ein Feiertag. Das Ministerium wollte sich bislang nicht zu der Entscheidung äußern.

Die bevorstehende Entscheidung des US-Handelsministeriums sei für Deutschland erschreckend, sagte Merkel am Samstag bei der Münchner Sicherheitskonferenz. "Wir sind stolz auf unsere Autos. Das dürfen wir ja auch." Sie verstehe nicht, wie die Amerikaner deutsche Autos als Gefahr für die nationale Sicherheit einstufen könnten.

"Diese Autos werden gebaut in den Vereinigten Staaten von Amerika", sagte Merkel. Im US-Bundesstaat South Carolina befinde sich das größte BMW-Werk. "Nicht in Bayern, in South Carolina", betonte sie. "Ich glaube, es wäre gut, wir kommen in gute Gespräche miteinander." Die EU-Kommission schätzt den Wert europäischer Auto- und Autoteilexporte in die USA auf mehr als 50 Milliarden Euro pro Jahr.

Zuletzt wurden Sonderzölle in Höhe von 25 Prozent ins Gespräch gebracht. Hintergrund solcher Überlegungen Trumps ist, dadurch das US-Handelsdefizit abzubauen und Jobs in den USA zu schaffen.

Doch ein solcher Schritt ist auch in den USA umstritten - und nicht ohne Risiko. Experten warnen, höhere Zölle könnten die Verkaufszahlen in den USA bremsen und damit letztlich auch Jobs gefährden. Die US-Autoteile-Industrie mahnt, Sonderzölle seien eine zusätzliche Belastung für amerikanische Firmen und auch für die Verbraucher.

Auch aus dem US-Kongress kommt Kritik. Der Vorsitzende des Finanzausschusses im Senat, Trumps republikanischer Parteikollege Chuck Grassley, klagte zuletzt, Sonderzölle auf Autos und Autoteile würden Verbraucher enorm belasten, die sich ein Auto kauften - egal, ob es in den USA produziert oder importiert sei. "Zölle sind keine langfristige Lösung." Sie könnten kurzfristig Schutz für die eigene Wirtschaft bringen - aber auf Kosten von Verbrauchern und Industrien, die zunehmend von komplexen globalen Lieferketten abhingen.

Das Ergebnis des Berichts aus dem US-Handelsministerium entscheidet zunächst noch nichts. Trump ist trotz der Einschätzung frei darin, welchen Weg er einschlagen will. Er hat sich zuletzt, etwa im Handelskonflikt mit China, als "Mann der Zölle" inszeniert. Aber sieht er die Drohung mit Autozöllen nur als Druckmittel, um die Europäer zu Verhandlungen zu zwingen? Oder macht er wirklich ernst? Bei der Entscheidung - über ein Thema, das viele Bürger trifft - dürfte auch der nahende Präsidentschaftswahlkampf eine Rolle spielen.

Besondere Gefahr durch Sonderzölle droht den deutschen Autobauern. Sollten die USA die Importzölle dauerhaft um 25 Prozent erhöhen, könnten sich deutsche Autoexporte in die USA langfristig fast halbieren, geht aus den Berechnungen des ifo Instituts hervor. Das würde sich auch spürbar auf die Ausfuhren insgesamt auswirken: "Diese Zölle würden die gesamten Auto-Exporte aus Deutschland um 7,7 Prozent verringern, was einem Wert von 18,4 Milliarden Euro entspräche", sagte ifo-Experte Gabriel Felbermayr.

Der deutsche Branchenverband VDA zeigte sich besorgt und verwies auf das Engagement der Hersteller in den USA. So habe allein die deutsche Autobranche in den vergangenen Jahren mit rund 300 Fabriken mehr als 113 000 Arbeitsplätze in den USA geschaffen, die duale Ausbildung für qualifizierte Arbeitskräfte eingeführt und sei der größte Autoexporteur aus den USA. "Das alles stärkt die USA und ist kein Sicherheitsproblem", mahnte der Verband der Automobilindustrie (VDA). Porsche-Finanzchef Lutz Meschke sagte der "Stuttgarter Zeitung" und den "Stuttgarter Nachrichten" (Montag): "Ich denke es ist klar, dass wir keine Gefahr für die nationale Sicherheit der USA darstellen."

Gäbe es keine Gegenreaktion anderer Länder, könnten die USA laut ifo-Experte Felbermayr langfristig von Sonderzöllen klar profitieren. "Porsche, Audi, BMW, Mercedes & Co. würden verstärkt in den USA produzieren und so die Zölle umgehen." Wer weiter in die USA exportiere, müsse die Preise senken. Auch würden die USA Milliarden an Zolleinnahmen kassieren. Das Problem ist nur: "Gegenzölle machen das alles kaputt." Und das könnte der Haken an Trumps Rechnung sein.

Die EU hat bereits angekündigt, dass sie auf neue US-Zölle mit Vergeltungszöllen reagieren würde. Denkbar ist demnach, dass im ersten Schritt Ausgleichszölle auf US-Waren im Wert von rund 20 Milliarden Euro verhängt würden.

Um den Streit um die bereits eingeführten US-Sonderzölle auf Stahl- und Aluminiumprodukte zu entschärfen, hatten sich die USA und die EU eigentlich auf den Start von neuen Freihandelsgesprächen verständigt. Das Projekt kommt allerdings bislang nur äußerst schleppend voran. Die im Juli zwischen Trump und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker getroffene Vereinbarung sieht zur Schlichtung konkret vor, dass beide Seiten Gespräche über die Abschaffung von Zöllen auf Industriegüter sowie eine engere Zusammenarbeit bei Regulierungen zum Beispiel für die Arzneimittelindustrie beginnen. Zugleich sollten eigentlich vorerst keine neuen Sonderzölle verhängt werden./aha/jac/tos/DP/he