DÜSSELDORF (dpa-AFX) - Marode Kanäle, Poller und Schleusen, Personalmangel in den Schifffahrtsverwaltungen: Die NRW-Industrie fordert mit ungewöhnlich scharfen Tönen mehr Tempo beim Ausbau der Wasserstraßen im Land. Der "gegenwärtige Verfall" bringe ein "nicht mehr kalkulierbares Risiko für den Industriestandort NRW", erklärte der Sprecher des Verbandes der Chemischen Industrie, Gerd Deimel, am Dienstag. Die Branche ist für ihre Grundstoffe etwa im Chemiepark Marl im nördlichen Ruhrgebiet besonders auf Schiffstransporte angewiesen. An diesem Mittwoch (4.9.) ist die Modernisierung der NRW-Wasserwege auch Thema einer Anhörung im Landtag.

NRW ist ein Schifffahrtsland: Fast 30 Prozent der Gütertransporte laufen vergleichsweise umweltfreundlich über das Wasser. Bundesweit sind es nur rund acht Prozent. Aber an vielen Wasserwegen ist seit Kriegszeiten kaum etwas erneuert worden. Etwa 45 Prozent der Schleusenanlagen sind nach Angaben der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung älter als 80 Jahre.

Wenn Tore rosten, Pumpen den Geist aufgeben und Schleusen gesperrt werden müssen wie in diesem Sommer die wichtige Schleuse Henrichenburg in Waltrop, drohen handfeste wirtschaftliche Nachteile: Der Kanalhafen Dortmund war wegen der Sperrung im Sommer für sechs Wochen vom Schiffsverkehr abgeschnitten. Seitdem läuft voraussichtlich bis zum 18. September ein Notbetrieb in Abend- und Nachtstunden. Das tut auch ökologisch weh: "Ein kanalgängiges Binnenschiff ersetzt rund 50 Lkw", sagt der Dortmunder Hafenvorstand Uwe Büscher.

An den sechs Schleusen des 60 Kilometer langen Wesel-Datteln-Kanales halten die brüchigen alten Nischenpoller das Gewicht moderner Güterschiffe nicht mehr aus. Als Notmaßnahme helfen deshalb "Festmacher" wie einst händisch den Schiffen beim Anlegen - ein technischer Rücksturz als würden Telefonverbindungen wieder von Hand gesteckt. Dabei nutzen jedes Jahr rund 20 000 Güterschiffe den Kanal.

CDU/FDP und SPD sind sich mit ihren Anträgen zum Thema weitgehend einig mit der Industrie, den IHKs und Hafenbetreibern im Land. Pläne und Versprechungen gibt es ja nach jahrelangen Debatten reichlich. Der Ausbau des Wesel-Dattel-Kanals für rund 645 Millionen Euro ist etwa seit 2016 als vordringliches Projekt im Bundesverkehrswegeplan verankert. Doch bisher wurde nicht mal mit den Planungen begonnen, klagen CDU und FDP in ihrem Antrag.

Ein zentraler Engpass sind fehlende Stellen bei der Bundesverwaltung der Wasserstraßen. Allein für den Ausbau des Wesel-Datteln-Kanales fehlten bei den zuständigen Bundesbehörden 42 Stellen, sagt der VCI. Sonst drohten jahrelange Verzögerungen - auch wenn das nötige Geld zum Bauen bewilligt ist. Notfalls sollen die raren Fachleute eben aus anderen Bundesländern abgeordnet werden, fordert der VCI.

Mit dem Haushalt 2018 wurden bereits 15 neue Ingenieurstellen für die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung in NRW genehmigt. Doch sie müssen jetzt auch schnell besetzt werden, fordert die Politik. Für den Bundeshaushalt 2020 und mögliche weitere NRW-Jobs beginnen die Verhandlungen demnächst./rs/DP/mis