(neu: Schlusskurse)

FRANKFURT (dpa-AFX) - Die Leidenszeit für die Bayer-Aktionäre wegen der zahlreichen Klagen in den USA nimmt kein Ende. Nach einer weiteren Niederlage in einem Glyphosat-Prozess rutschten die Anteile des Agrarchemie-Konzerns am Dienstag zu Handelsbeginn mit 53,65 Euro auf den tiefsten Stand seit 2012. Sie konnten sich dann aber von ihrem anfänglichen Kursrutsch etwas erholen. Am Ende betrug das Minus 2 Prozent auf 55,33 Euro, womit sie weiter zu den schwächsten Werten im soliden Dax zählten.

Nach den beiden schon bekannten Fällen hatte Bayer in Kalifornien auch den dritten wichtigen Prozess um angeblich krebserregende Produkte des übernommenen Saatgut- und Pflanzenschutzkonzerns Monsanto verloren. Ein Händler sprach von einer weiteren heftigen Niederlage für den deutschen Chemie- und Pharmakonzern, wenn auch wenig überraschend. Ein weiterer Börsianer ergänzte, dass viel Negatives schon eingepreist sei - und sah in Kursschwächen eine mögliche Kaufgelegenheit.

Die Geschworenen-Jury des zuständigen Gerichts im kalifornischen Oakland verurteilte Bayer zu Schadenersatz in Höhe von über zwei Milliarden US-Dollar an ein Rentnerehepaar, das den Glyphosat-Unkrautvernichter Roundup für seine Krebserkrankungen verantwortlich macht. Der größte Teil entfällt auf sogenannten Straf-Schadenersatz, wofür es im deutschen Recht keine Entsprechung gibt. Der eigentliche Schadenersatz liegt bei 55 Millionen Dollar.

"Die Summe wird sicherlich noch deutlich gekürzt, aber ihre Höhe verunsichert weiter", sagte Analyst Alistair Campbell vom Analysehaus Liberum. Sein Kollege Gunther Zechmann von Bernstein Research rechnet in dem neuesten Prozess mit einer Reduzierung des gesamten Schadenersatzes auf letztlich 110 Millionen US-Dollar.

Ein Ende der Glyphosat-Unsicherheit ist damit Experten zufolge wegen zahlreicher noch anstehender Prozesse nicht in Sicht. In diesem Jahr sind laut Analyst Peter Spengler von der DZ Bank vier weitere Verhandlungen angesetzt. Er rechnet damit, dass "die Bayer-Aktie bis zu einem ersten belastungsfähigen rechtskräftigen Urteil im vierten Quartal 2019 weiterhin volatil auf die laufenden Glyphosat-Prozesse reagieren wird." So geht Bayer in den Prozessen, die das Unternehmen in der ersten Instanz verloren hat, in Berufung. Dabei setzt Bayer auf Urteile von Berufsrichtern, nachdem bisher Geschworenen-Jurys zuständig waren.

In dieser Zeit dürfte die positive operative Geschäftsentwicklung von Bayer bei der Aktie wohl nicht zur Entfaltung kommen, fuhr Spengler fort. Auch der Verkauf des Sonnenschutz-Geschäfts "Coppertone" an Beiersdorf war am Markt nur ein Nebenschauplatz. Diese Nachricht wertete Analyst Markus Mayer von der Baader Bank zwar positiv, weil Bayer einen guten Preis erzielt habe. Sie werde aber überschattet von dem neuerlichen Glyphosat-Fall.

Die meisten Beobachter gehen weiterhin davon aus, dass Bayer letztlich Vergleiche eingehen wird. Um die gesamten Belastungen abschätzen zu können, ist es laut JPMorgan-Analyst Richard Vosser aber noch ein weiter Weg. Seiner Einschätzung nach müssen mindestens zehn bis zwölf Fälle und diverse Berufungsverfahren abgewartet werden. Damit rechnet der Experte nicht vor Mitte 2020. Bis dahin dürfte auch die Aktie nicht zur Ruhe kommen.

Ihr Rekordhoch aus dem Jahr 2015 bei 146 Euro liegt schon einige Jahre zurück - auch deshalb, weil die teure Monsanto-Übernahme stets umstritten war. Vor dem ersten Glyphosat-Prozessfall im August 2018 war die Bayer-Aktie noch knapp 100 Euro wert gewesen, seitdem hat sie sich fast halbiert. An der Börse ist Bayer mit etwa 51 Milliarden Euro mittlerweile weniger wert, als die Monsanto-Übernahme gekostet hatte./tih/mis/fba/he