(Neu: Kursgewinne schmelzen, EPA-Entscheidung, Chefmediator dementiert Milliarden-Angebot, Bloomberg-Analystin Holly Froum)

FRANKFURT (dpa-AFX) - Die Begeisterung der Bayer-Anleger über einen möglichen Vergleich in den Rechtsstreitigkeiten um das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat hat am Freitagnachmittag deutlich nachgelassen. Nachdem die Anteilsscheine des Pharma- und Agrarchemiekonzerns am Morgen noch um gut 11 Prozent auf rund 70 Euro in die Höhe geschnellt waren und den höchsten Stand seit Anfang März erreicht hatten, bröckelten die Gewinne im Tagesverlauf immer weiter ab.

Am Nachmittag waren die Papiere sogar kurz ins Minus gerutscht, bevor sie sich wieder etwas erholten und zuletzt noch um knapp 1,7 Prozent stiegen. Damit waren sie aber immer noch der mit Abstand beste Wert im wieder schwächelnden deutschen Leitindex Dax.

Die Bayer-Aktien hatten am Morgen zunächst Händlern zufolge erst einmal von einer Entscheidung der US-Umweltbehörde EPA profitiert, derzufolge Produktlabel auf Unkrautvernichtern verboten sind, die behaupten, dass Glyphosat krebserregend sei. Damit stellt sich die EPA, laut deren Untersuchungen Glyphosat nicht krebserregend ist, gegen eine Entscheidung des Bundesstaates Kalifornien.

Einen deutlichen Kurssprung löste dann eine Meldung der Nachrichtenagentur Bloomberg unter Berufung auf eine mit den Verhandlungen vertraute Person aus, wonach die Leverkusener eine Zahlung von bis zu 8 Milliarden US-Dollar (7,15 Milliarden Euro) vorschlagen, um die Klagen der zuletzt 18 400 Kläger beizulegen. Ein Bayer-Sprecher wollte dies auf Anfrage nicht kommentieren.

Allerdings dementiert mittlerweile der oberste Vermittler im Glyphosat-Streit einen bevorstehenden Vergleich zwischen Bayer und den Tausenden Klägern in den USA. "Bayer hat nicht vorgeschlagen, acht Milliarden US-Dollar zu zahlen, um alle US-Roundup-Krebs-Klagen beizulegen", sagte US-Anwalt Kenneth Feinberg dem "Handelsblatt". Glyphosat wird unter dem Namen Roundup zur Unkrautbekämpfung auf den Markt gebracht.

Der Fachmann Gunther Zechmann vom US-Analysehaus Bernstein Research hatte zuvor noch mit Blick auf den möglichen Vergleich von einem Schritt in die richtige Richtung gesprochen. Zechmann befürwortet eine Einigung, die den Unsicherheitsabschlag von den Aktien nehmen und eine saubere Aufteilung von Bayer ermöglichen würde. Alles unter 30 Milliarden Dollar wäre positiv für den Aktienkurs.

Die von Bloomberg genannten 8 Milliarden Dollar wären deutlich weniger als viele Analysten, die ohnehin mit einem Vergleich rechnen, zuletzt auf dem Zettel hatten. Analyst Markus Mayer von der Baader Bank etwa ging zuletzt davon aus, dass eine Einigung im Bereich um die 15 bis 20 Milliarden Euro (16,7 bis 22,3 Mrd Dollar) positiv für den Aktienkurs wäre.

Analyst Michael Leacock von der Bank Mainfirst hatte zuletzt mit einer Summe von etwa 10 Milliarden Euro kalkuliert, zu der noch circa 1 Milliarde Euro wegen Rechtskosten hinzuzurechnen wären. Allerdings könnte in einem gewissen Maß Versicherungsschutz für diese Rechtsrisiken bestehen, so dass die zu zahlende Summe unter dem Strich geringer ausfallen könnte. Zudem seien Vergleichskosten steuerlich absetzbar.

Nach Ansicht der Bloomberg-Analystin Holly Froum würde die im Raum stehende Summe von 8 Milliarden Dollar bedeuten, dass jeder einzelne Fall Bayer ungefähr 500 000 US-Dollar kosten könnte. Ein solcher Betrag aber könnte sich aus Sicht der Kläger als zu niedrig erweisen. Diese könnten deshalb darauf drängen, dass Glyphosat-Prozesse nicht allzu lange vertagt werden.

Bereits am Donnerstag hatten die Bayer-Aktien von der Nachricht profitiert, dass die Leverkusener Insidern zufolge schon bald den nächsten großen Spartenverkauf ankündigen könnten. Der Pharmakonzern arbeite mit Elanco Animal Health an einem Deal zum Verkauf des Geschäfts mit Tiermedizin, berichtete Bloomberg ebenfalls unter Berufung auf mit der Sache vertraute Personen.

Und schon am Mittwoch hatten die Anteilsscheine unter anderem sehr positiv auf die Vertagung eines für August angesetzten Glyphosat-Prozesses reagiert, die bereits als Hinweis auf fortschreitende Vergleichsverhandlungen interpretiert worden war. Hinzu kam der überraschend hohe Verkaufspreis für den Anteil am Chemiepark-Betreiber Currenta. Angesichts dieser jüngsten Nachrichten haben sich einem Börsianer zufolge Anleger, die zuvor auf fallende Kurse gesetzt hätten, zu Zukäufen gezwungen gesehen, um ihre Verluste zu begrenzen.

Auch charttechnisch sieht das Bild aktuell positiv aus für die Bayer-Aktien: Die Papiere hatten bereits am Mittwoch sowohl die 21-Tage- als auch die 50-Tage-Linie überwunden, die als Indikatoren für den kurz- beziehungsweise mittelfristigen Trend gelten.

Am Freitag nun durchbrachen die Anteilsscheine auch die 200-Tage-Linie deutlicher, die den langfristigen Trend vorgibt. Sie ist aber aktuell noch abwärts gerichtet. Und trotz der jüngsten Aktienkurserholung notieren die Papiere immer noch mehr als 31 Prozent tiefer als vor der ersten Glyphosat-Prozessschlappe vor einem Jahr./la/mis/nas/ajx/fba