LEVERKUSEN (dpa-AFX) - Für den Pharma- und Agrarchemiekonzern Bayer läuft es alles andere als rund. Mögliche finanzielle Risiken durch den Unkrautvernichter Glyphosat der US-Neuerwerbung Monsanto, ein bestenfalls durchwachsener Jahresausblick sowie Probleme im Geschäft mit rezeptfreien Medikamenten haben die Aktie in den vergangenen Wochen deutlich auf Talfahrt geschickt. Die wichtigsten Punkte für das Unternehmen, was die Experten sagen und wie es für die Aktie läuft:

DAS IST LOS BEI BAYER:

Das hat sich Bayer-Chef Werner Baumann sicher anders vorgestellt. Nach zähem Ringen mit den Wettbewerbsbehörden, das länger dauerte als geplant, hatte der Leverkusener Konzern die mehr als 60 Milliarden schwere Übernahme des US-Saatgutriesen Monsanto endlich abgeschlossen. Doch die Freude währte nur kurz: Eine Geschworenen-Jury in Kalifornien sprach einem Krebspatienten, der den höchst umstrittenen Unkrautvernichter Glyphosat für sein Leiden verantwortlich macht, 289 Millionen US-Dollar (derzeit 248 Mio Euro) zu. Zwar ist noch lange nicht klar, ob Monsanto überhaupt zahlen muss, da das Urteil angefochten wird. Allerdings laufen mehrere Tausend ähnliche Klagen. Investoren fürchten Milliardenrisiken im Zusammenhang mit der neuen Tochter, der Aktienkurs tauchte ab.

Doch das sind nicht alle schlechten Nachrichten. Wegen der verspäteten Integration wird Monsanto im laufenden Jahr nicht so viel zum Ergebnis beitragen wie erhofft. Analysten stuften den Anfang September bei den Halbjahresjahreszahlen vorgelegten Jahresausblick daher als eher durchwachsen ein. Zwar rechnet Bayer mit Steigerungen bei Umsatz und Gewinn - Experten hatten sich allerdings noch mehr erhofft.

Dazu kommen Probleme in den anderen Sparten: Das Pharmageschäft bekam zuletzt den stärkeren Eurokurs sowie höhere Produktionskosten und Lieferengpässe bei Medikamenten wie Aspirin zu spüren. Hier belasteten weiterhin Produktionsanpassungen nach einem Rüffel der US-Gesundheitsbehörde FDA das Ergebnis. Wegen der Maßnahmen sowie eines erwarteten Produktionsstillstands für eine Nachkontrolle der FDA rechnet Bayer-Chef Baumann auch im weiteren Jahresverlauf mit Belastungen. Und das Geschäft mit rezeptfreien Medikamenten leidet unter einer Schwäche in Europa und den USA.

DAS SAGEN DIE ANALYSTEN:

Nach dem Glyphosat-Urteil hatten Analysten ihre Einstufungen und Kursziele reihenweise gesenkt. Zwar sehen sie die Übernahme weiterhin insgesamt positiv für Bayer, die kurzfristigen Risiken in Zusammenhang mit dem Unkrautvernichter schreckten sie jedoch ab. DZ-Experte Peter Spengler etwa erwartet, dass die Klagewelle in den USA die Integration von Monsanto überlagern wird. Peter Verdult von der Citigroup schätzt das finanzielle Risiko dabei auf zwei Milliarden Euro.

Doch neben Glyphosat machen den Analysten noch andere Dinge Sorgen. Nicht nur das Gerichtsurteil sei negativ für Bayer, schrieb Analystin Luisa Hector von der französischen Investmentbank Exane BNP. Von gleich mehreren Konzernsegmenten gingen Risiken für das Unternehmen aus. So steht Bayer beispielsweise ab 2023/24 vor einer Patentklippe - dann beginnt der Patentschutz für eine Reihe wichtiger Medikamente auszulaufen.

Citigroup-Analyst Verdult etwa legt ein Ende des Patentschutzes für den Blutverdünner "Xarelto" bis 2025 zugrunde, was sich in aggressivem Wettbewerb bemerkbar machen dürfte. Xarelto ist Bayers Kassenschlager. Auch hegt der Analyst nur moderate Erwartungen an die Pipeline. Allerdings unterschätzt der Markt nach Ansicht von Verdult die Aussichten der Krebsmedikamente "Larotrectinib" und Loxo-195. Auf Sicht von ein bis zwei Jahren bietet seiner Ansicht nach die Bayer-Aktie immer noch ein gutes Chance-Risiko-Verhältnis.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Der Bayer-Kurs ist nach dem Glyphosat-Urteil Mitte August eingebrochen - allerdings befand sich die Aktie bereits schon vorher im Sinkflug. Von mehr als 100 Euro Ende Januar ging es nur noch abwärts. Mitte September rutschte die Aktie sogar kurzfristig unter 70 Euro - das erste Mal seit Anfang 2013. Danach erholte sich das Papier wieder etwas. Mit einem Minus von gut einem Viertel seit Jahresbeginn gehört die Bayer-Aktie bislang zu den größten Verlieren im Dax.

Allein das Schadensersatzurteil im Glyphosat-Prozess habe beim Aktienkurs 18 Euro gekostet, schreibt Citigroup-Analyst Verdult. Doch seien die durchschnittlichen Markterwartungen für den Gewinn je Aktie schon in den vergangenen 18 Monaten ständig gesunken. Die immer pessimistischeren Schätzungen deuten laut Verdult auf das Ende der Abwärtsspirale hin, auch wenn das Umfeld kurzfristig schwierig bleibe. Er sieht dabei mittlerweile den Boden erreicht.

Dies sieht auch Ulrich Huwald von Warburg Research so. Die guten fundamentalen Aussichten des Konzerns sollten nun wieder mehr Beachtung finden. Verglichen mit den Wettbewerber-Aktien seien die Bayer-Titel günstig bewertet. Analyst Markus Mayer von der Baader Bank hält dabei den Kursrutsch insgesamt für überzogen. Die im dpa-AFX Analyser zusammengefassten Analysten empfehlen inzwischen die Aktie wieder mehrheitlich zum Kauf - 14 Kauf-Urteilen stehen 8 Halteempfehlungen gegenüber. Das alles bei einem durchschnittlichen Kursziel von rund 99 Euro, was noch erheblichen Spielraum zum derzeitigen Kurs von um die 75 Euro lässt./nas/tav/stw