LEVERKUSEN (dpa-AFX) - Das hat sich Bayer Werner Baumann sicher anders vorgestellt: Kaum war mit dem Kauf von Monsanto die teuerste Übernahme eines deutschen Unternehmens unter Dach und Fach, verurteilte ein US-Gericht die neue Saatguttochter wegen angeblich verschleierter Gefahren des Unkrautvernichters Glyphosat zu einer dreistelligen Millionenstrafe. Investoren rannten in Scharen davon. Die wichtigsten Punkte für das Unternehmen, was die Experten sagen und wie es für die Aktie läuft:

DAS IST LOS BEI BAYER:

Es hätte so schön sein können. Der mehr als 60 Milliarden US-Dollar schwere Kauf des US-Saatgutriesen Monsanto war nach langem Ringen mit den Wettbewerbswächtern endlich gelungen, die Integration konnte in Angriff genommen werden. Zugleich nimmt die Erholung der Agrarmärkte Fahrt auf. Eigentlich gute Voraussetzungen für den Konzern aus Leverkusen, der sich nach der umstrittenen Akquisition des in der Öffentlichkeit wenig beliebten Konkurrenten aus Amerika endlich wieder stärker auf das Tagesgeschäft konzentrieren wollte.

Dann aber kam der Paukenschlag. Eine Geschworenen-Jury in Kalifornien sprach einem Krebspatienten, der Glyphosat für sein Leiden verantwortlich macht, 289 Millionen US-Dollar (250 Mio Euro) zu. Zwar ist noch lange nicht klar, ob Monsanto überhaupt zahlen muss, da das Urteil angefochten wird. Allerdings laufen mehrere tausend ähnliche Klagen. Zudem sind die Klagen in den USA gegen Monsanto wegen dessen Unkrautvernichters Dicamba plötzlich wieder ein Thema, das wahrgenommen wird.

Die Leverkusener geben sich indes zuversichtlich "Ein Urteil von einer Jury in einem Fall ändert nichts an den wissenschaftlichen Fakten", sagte Baumann während einer Telefonkonferenz mit Investoren und Analysten. Aktuell sind laut dem Finanzchef Wolfgang Nickl lediglich Rückstellungen für die erwarteten Verteidigungskosten im Zusammenhang mit den Glyphosat-Klagen geplant und nicht für Schadensersätze. Die Höhe dürfte dann bei der Vorlage der Zahlen für das zweite Quartal am 5. September bekannt werden.

DAS SAGEN DIE ANALYSTEN:

Der Kurseinbruch nach dem Urteil in dem Krebsprozess war zu stark, doch dürfte die Unsicherheit über die Risiken durch weitere Klagen noch eine Weile auf dem Aktienkurs lasten. So in etwa klingt der Konsens unter Analysten. 11 der 17 im dpa-AFX-Analyser erfassten Experten sind mittelfristig optimistisch und stufen die Aktien denn auch mit "Kaufen" oder einem vergleichbaren Rating ein. Keiner rät zum Verkauf. Das durchschnittliche Kursziel liegt bei 105 Euro.

"Die Rechtsrisiken von Glyphosat und Dicamba sind überzogen und mehr als ausreichend in den gesunkenen Aktienkurs eingepreist", sagte Markus Mayer von der Baader Bank. Der Geschäftswert der beiden Mittel liege bei etwa vier Euro je Aktie und die Klagen könnten zu Zahlungen zwischen einer und zwölf Milliarden Euro führen, also rund ein bis zwölf Euro je Aktie ausmachen. Mayer gibt sich bei der Bewertung vorsichtig und berücksichtigt das obere Ende seiner Schätzung. Daher senkte er sein Kursziel, errechnet aber immer noch 123 Euro als mittelfristiges Ziel für die Papiere.

Nur wenige Analysten sind optimistischer. Das höchste Ziel errechnet Virginie Boucher-Ferte von der Deutschen Bank mit 137 Euro. Selbst ein Rückgang der Glyphosat-Nachfrage wäre ihr zufolge kein Beinbruch. Andere Unkrautvernichter von Bayer könnten sich dann eventuell besser verkaufen.

Vorsichtiger ist Steven McGarry von der britischen Bank HSBC. Er sieht zwar keinen Grund zur Panik, reduzierte sein Kursziel wegen der Ungewissheit über die finanziellen Folgen des Glyphosat-Themas aber auf 82 Euro und rät weiter zum "Halten" der Aktien. Die Verkaufszahlen des Mittels selbst fielen für Bayer kaum ins Gewicht, doch könnte auch das vermutlich viel größere Geschäft mit dem Saatgut Roundup Ready leiden. Die daraus entstehenden Pflanzen wurden so verändert, dass sie glyphosatresistent sind.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Nach dem Urteil zogen viele Investoren die Reißleine. Der Kurs brach binnen weniger Tage um fast ein Fünftel auf 75,50 Euro ein. Weniger hatten die Papiere zuletzt im Frühjahr 2013 gekostet. 16,7 Milliarden Euro Börsenwert waren dahin.

Die insgesamt zuversichtlichen Analystenkommentare beruhigten die Anleger dann aber zumindest etwas. Die Aktien notieren zwar immer noch deutlich unter dem Kurs vor dem Urteilsschock und zählen mit einem Minus von rund einem Fünftel zu den zehn schwächsten Dax-Werten im Jahresverlauf. Seit dem Zwischentief haben sie sich aber schon wieder um mehr als 10 Prozent erholt.

Der längerfristige Chart sieht indes eher trüb aus: Seit dem Rekordhoch von 146,45 Euro im Frühjahr 2015 hatte sich der Wert der Papiere jüngst fast halbiert./mis/tav/zb