Sie habe Russlands Präsident Wladimir Putin wiederholt gesagt, dass für sie die Frage 'Transitland Ukraine' essenziell sei, sagte Merkel am Dienstag nach einem Treffen mit dem neuen ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in Berlin. Hintergrund sind Warnungen, dass Russland kein Gas mehr durch die Ukraine nach Westen schickt, sollte die umstrittene Nord Stream 2-Gaspipeline durch die Ostsee in Betrieb genommen werden. Putin habe ihr gegenüber immer wieder betont, er wisse, dass ihr das Thema "sehr, sehr wichtig" sei, sagte die Kanzlerin. "Insofern ist Nord Stream und die Frage des Transits durch die Ukraine aufs Engste miteinander verknüpft."

Selenskyj erklärte bei dem ersten Treffen mit Merkel, dass sich an seiner grundsätzlichen Ablehnung der Pipeline nichts geändert habe. Die Ukraine fürchtet um den Verlust der Transit-Einnahmen und die Sicherheit der eigenen Gasversorgung aus Russland. Das bisherige Gasabkommen zwischen Russland und der Ukraine läuft Ende des Jahres aus. Dann soll auch die umstrittene Nord Stream 2-Gaspipieline durch die Ostsee in Betrieb gehen.

Beide betonten, dass die Differenz in dieser Frage nichts an dem angestrebten bilateralen Verhältnis ändern werde. Deutschland sei einer der wichtigsten Partner der Ukraine, sagte Selenskyj. Dass Merkel kurz vor der Wahl seinen Vorgänger Petro Poroschenko empfangen habe, sei ebenfalls kein Problem. Vor der Präsidentschaftswahl war dies als Parteinahme Merkels kritisiert worden. Die Kanzlerin sagte dem früheren Schauspieler weitere Unterstützung Deutschlands zu. Am 12. Juli soll es zu dem Krieg in der Ostukraine mit prorussischen Separatisten ein Expertentreffen im Rahmen des sogenannten Normandie-Formats mit Frankreich, der Ukraine und Russland stattfinden.

Merkel und Selenskyj wiesen Forderungen nach einer Lockerung der EU-Sanktionen gegen Russland zurück. "Wir sind uns einig, dass, solange hier keine Fortschritte erzielt werden können, die Sanktionen nicht aufgehoben werden können", sagte Merkel mit Blick auf die Ostukraine. Die territoriale Integrität und Souveränität der Ukraine müsse verteidigt werden. Das gelte auch für die EU-Sanktionen gegen Russland wegen der Annexion der Halbinsel Krim. Diese könnten nur aufgehoben werden, "wenn die Krim wieder zur Ukraine zurückkehrt", sagte Merkel. Eine Verschärfung der EU-Sanktionen, wie sie etwa Selenskyj vorgeschlagen hatte, stehe derzeit aber nicht auf der Agenda.

Die Kanzlerin reagierte damit auf die Forderung etwa des sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU), aber auch etlicher SPD-Politiker nach einer Lockerung der Sanktionen. Selenskyj wandte sich in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Merkel direkt an die Sanktions-Gegner. "Wir haben den Krieg nicht angefangen", sagte er.

Einen leichten Schwächanfall bei den militärischen Ehren führte Merkel auf Wassermangel zurück. Sie hatte beim Abspielen der Nationalhymnen stark gezittert. "Ich habe inzwischen mindestens drei Gläser Wasser getrunken. Insofern geht es mir sehr gut", sagte sie. Selenskyj scherzte, er habe die ganze Zeit neben ihr gestanden. "Glauben Sie mir, sie war in Sicherheit."