(neu: u.a. Aussagen von Fiat Chrysler-Chef Marchionne und Pläne zu Finanzierungssparte)

BALOCCO (dpa-AFX) - Der scheidende Chef des italienisch-amerikanischen Autoriesen Fiat Chrysler hat sein letztes großes Ziel bei der Sanierung des Konzerns erreicht. Ende Juni werde das Unternehmen schuldenfrei sein, verkündete Sergio Marchionne am Freitag in Balocco nahe Turin. Fiat betreibt dort sein Testgelände. "Es ist ein wichtiger Meilenstein im Heilungsprozess der strukturellen Schwächen, die uns über zu viele Jahre belastet haben", sagte der 65-jährige Spitzenmanager vor Investoren. Zudem skizzierte er die Zukunftsstrategie des Konzerns. 2019 will Marchionne abtreten.

Zur Feier des Tages trug der Italo-Kanadier - Markenzeichen dunkler Pullover - kaum sichtbar eine Krawatte. Das hatte er einst versprochen, falls der Schuldenabbau gelingen sollte. Marchionne war 2004 in der Zeit der höchsten Krise an die Fiat-Spitze gerückt, später übernahm er den ebenfalls heftig angeschlagenen US-Rivalen Chrysler. Eine wirtschaftliche Kehrtwende galt als Herkulesaufgabe. "Aus dem Schatten der Verschuldung zu treten", werde die Wahrnehmung des Konzerns nun fundamental verändern, versprach der Fiat-Chef.

Marchionne stellte zudem einen neuen Fünfjahresplan vor, der vor allem auf die Marken Jeep, Alfa Romeo, Maserati und Ram setzt. Insbesondere der Geländewagenbauer Jeep, der als Ertragsperle gilt, soll kräftig wachsen. Die Bedeutung der italienischen Kernmarke Fiat dürfte hingegen weiter abnehmen. Darüber hinaus will Fiat Chrysler künftig verstärkt auf Elektroautos und autonomes Fahren setzen - hier sehen Analysten noch viel Luft nach oben. Der Konzern bestätigte auch Pläne, das bisher an die Großbank Santander ausgelagerte Geschäft mit Autofinanzierungen in den USA unter das eigene Dach zu holen.

An der Börse kam Marchionnes Auftritt zunächst gut an: Die Aktie kletterte zeitweise um knapp vier Prozent. Später kippte die Stimmung allerdings - zuletzt stand der Kurs deutlich im Minus. Nach dem guten Lauf würden Anleger Gewinne mitnehmen, hieß es aus dem Handel. Seit der Fusion von Fiat und Chrysler im Herbst 2014 ist die Aktie um fast 350 Prozent gestiegen - so stark wie keine andere aus der Branche. Auch die jüngsten Absatzzahlen für den US-Markt fielen gut aus. Hier gab es im Mai dank hoher Nachfrage nach Jeep- und Ram-Modellen ein Verkaufsplus von elf Prozent im Jahresvergleich.

Die Fokussierung auf Nischenmarken gilt Beobachtern als elementares Vermächtnis des Managers, der im kommenden Jahr sein Amt niederlegt und das italienische Traditionsunternehmen verlässt.

Während im laufenden Jahr jedes 17. Fahrzeug von Jeep kommen soll, soll es 2022 schon jedes 12. Fahrzeug sein. Dies entspräche einem Anstieg auf etwa 3,3 Millionen Fahrzeuge. In Zukunft, so die Vision der Konzernleitung, soll Jeep sogar für ein Fünftel des Gesamtmarktes stehen.

Zugleich will sich Jeep in Europa vom Diesel-Motor verabschieden und kündigte stattdessen vier neue Elektromodelle bis 2022 an. Bereits ab 2021 sollen alle bestehenden Modelle auch als strombetriebene Variante bestellbar sein. Aber auch bei der Edelmarke Maserati sollen bis 2022 Diesel-Modelle komplett aus dem Angebot verschwinden. Zudem will der Konzern mit einer reinen E-Nobelkarosse den Hersteller Tesla angreifen. Die Antriebe, auch die elektrischen sollen von Ferrari kommen. Steigende Nachfrage verspricht sich der Konzern vor allem in wachsenden Märkten wie China, Indien und Lateinamerika.

Marchionne - von Haus aus Rechtsanwalt und Wirtschaftsprüfer - war 2004 in der Zeit der höchsten Krise an die Fiat-Spitze gerückt. Der Konzern stand damals kurz vor dem Bankrott. Auf dem Balocco-Testgelände hatte er damals seinen ersten Überlebensplan für das Unternehmen aufgestellt, das heute wieder Geld verdient. Unter seiner Regie kam später auch die Übernahme des ebenfalls in Schwierigkeiten steckenden US-Autobauers Chrysler zustande, den Marchionne wieder aufbaute. Chryslers Marke Ram soll nun zur Nummer zwei unter den Nutzfahrzeugen im nordamerikanischen Raum (Nafta-Region) aufsteigen.

Seine Idee, auch Opel mit in den Konzern zu holen, konnte der Italiener hingegen nicht verwirklichen. Dafür brachte er die Tochter Ferrari erfolgreich mit Gewinn an die Börse./hbr/tav/tos