ZÜRICH (dpa-AFX) - An diesem Freitag (1. Juni) beginnt in Chicago der größste und wichtigste internationale Krebskongress, die American Society of Oncology (Asco). Anders als in den Jahren davor, ist es im Vorfeld vergleichsweise ruhig. In den Vorjahren verfassten Analysten zahlreiche Papiere und Ausblicke, die Investoren den Überblick über die Datenflut erleichtern sollten. In diesem Jahr ist es merklich ruhiger.

Das könnte nicht zuletzt daran liegen, dass keine wirklichen Durchbrüche erwartet werden. Noch im vergangenen Jahr sorgte Novartis mit seiner personalisierten Zelltherapie CAR-T mit dem Namen Kymriah für ein verstärktes Interesse. Mittlerweile ist diese in den USA zugelassen.

Novartis ist damit einen eigenen Weg im Bereich der Immunonkologie gegangen. Wobei sich auch auf dem Gebiet der Zelltherapie weitere Anbieter tummeln. Zu den Platzhirschen in der Immunonkologie gehören aber zweifelsohne die beiden US-Konzerne Merck & Co und Bristol-Myers Squibb (BMS) sowie mit etwas Abstand Roche und Astrazeneca. Sie zählen zu den Vorreitern.

Das Prinzip der Immuntherapie will das körpereigene Abwehrsystem nutzen, um Krebszellen anzugreifen. Weil diese aber ihre Anwesenheit kaschieren können, muss die Immunabwehr erst wieder lernen, Krebszellen zu entdecken.

Merck mit seinem Mittel Keytruda und Bristol-Myers mit Opdivo setzen auf Antikörper, die auf den Rezeptoren der T-Zellen anbinden (PD-1). Roche hat sich dagegen für einen Ansatz entschieden, bei dem der Antikörper an der Tumorzelle andockt (PDL-1). Also am passenden Gegenstück, mit dem der Krebs seine Anwesenheit vor dem Angreifer kaschiert. Sobald der Schleier über dem Eindringling gelüftet ist, kann das körpereigene Immunsystem seine Arbeit verrichten.

Neu sind diese Ansätze zwar nicht, dennoch ist es erst vor wenigen Jahren zu einer Art Durchbruch gekommen. Die Immunonkologie befinde sich mittlerweile in der dritten Welle, sagt Roche-Manager Thomas Büchele. "Während es in der ersten Welle vor allem noch um den Einsatz von Immuntherapeutika als Monotherapie ging, befasste sich die zweite Welle dann schon mit Kombinationen aus Immuntherapie plus Standardtherapie", erläutert Büchele, der weltweit als medizinischer Leiter für Hämatologie und Onkologie beim Basler Konzern tätig ist. In der aktuellen dritten Welle würden nun auch Immuntherapeutika miteinander kombiniert.

Dabei versuche man, die Reaktion des Immunsystems auf eine breitere Basis zu stellen. "Unter dem Strich kann man auch sagen, dass sich die dritte Welle noch stärker in Richtung personalisierte Medizin fokussiert, also auf den jeweiligen Patienten zugeschnittene Therapien", ergänzt der Experte.

Tatsächlich stammen viele der auf Asco-Kongress zu erwartenden Daten aus Studien, in denen die jeweiligen Immuntherapeutika mit verschiedenen anderen Wirkstoffen kombiniert werden.

Trotz all der Zuversicht, die die Konzerne zu verbreiten versuchen, gibt es aber auch kritische Stimmen. So bemängeln Branchenbeobachter, dass die Kombinationsansätze sehr oft eine Chemotherapie beinhalten. Gerade sie bedeuten wegen ihrer erheblichen Nebenwirkungen aber eine große Belastung für die Patienten. Zudem sind die bisherigen Versuche, zwei Immuntherapien miteinander zu kombinieren, nicht wirklich von Erfolg gekrönt gewesen.

Und auch der Novartis-Ansatz ist nicht ohne Risiken. Denn gerade bei Zelltherapien kann es zu einer Überreaktion des Immunsystems kommen, die große Gefahren für die Patienten birgt./hr/ra/AWP/tav