HANNOVER (awp international) - Die Abwicklung des Lebensversicherers Generali Leben könnte dem Rückversicherer Hannover Rück 2019 den höchsten Gewinn seiner Geschichte einbringen. Der neue Firmenchef Jean-Jacques Henchoz, der von Konkurrentin Swiss Re kam und den deutschen Konzern seit Mai führt, sieht das Unternehmen nach den ersten sechs Monaten auf Kurs zu einem Jahresüberschuss von 1,1 Milliarden Euro. Finanzvorstand Roland Vogel hält eine Anhebung seiner Prognose für denkbar, und der knapp 100 Millionen Euro schwere Sondergewinn aus dem Generali-Deal kommt ohnehin obendrauf.

Analysten würde dies nicht überraschen. Sie rechnen im Schnitt ohnehin schon mit einem Jahresgewinn gut 1,2 Milliarden Euro, womit der bisherige Rekord von 1,17 Milliarden aus dem Jahr 2016 vor der Ablösung stünde.

Unter dem Strich verdiente der Konzern im zweiten Quartal rund 369 Millionen Euro und damit 31 Prozent mehr als ein Jahr zuvor, wie das im MDax gelistete Unternehmen am Donnerstag in Hannover mitteilte. Analysten hatten allerdings noch etwas mehr erwartet. Auch bei der angekündigten Sonderdividende für 2019 hatten sie sogar schon eine höhere Summe auf dem Zettel.

An der Börse ging es für die Hannover-Rück-Aktie am Morgen nach anfänglichen Kursverlusten um 0,36 Prozent auf 139,10 Euro nach oben. In den vergangenen drei Jahren hat der Kurs um rund die Hälfte zugelegt. Allein seit dem Jahreswechsel ging es für die Aktie um rund 18 Prozent nach oben. Gut die Hälfte der Hannover-Rück-Anteile gehören dem Versicherungskonzern Talanx , der in Deutschland vor allem mit seiner Marke HDI bekannt ist.

Die Hannover Rück - derzeit viertgrösster Rückversicherer der Welt - ist wiederum mit einem Fünftel an dem Abwicklungsspezialisten Viridium beteiligt, der im April das deutsche Lebensversicherungsgeschäft des italienischen Generali-Konzerns übernommen hat. Viridium soll die vier Millionen Lebensversicherungsverträge bis zum Ablauf weiterführen. Im Zuge der Übernahme wurden stille Reserven aufgelöst, was der Hannover Rück nun einen Sondergewinn bescherte.

Im eigentlichen Geschäft musste der Rückversicherer hingegen überraschend hohe Schäden schultern. So schlug eine Explosion in einer Fabrik in Philadelphia im Juni mit fast 46 Millionen Euro zu Buche. Zudem kamen die Zerstörungen durch Taifun "Jebi", der 2018 in Japan getobt hatte, die Hannover Rück wie schon ihre grösseren Konkurrenten Munich Re und Swiss Re teurer zu stehen als zunächst gedacht. 58 Millionen Euro legte der Konzern dafür allein im zweiten Quartal zur Seite, seit dem Jahreswechsel sind es nun schon 106 Millionen. Jetzt dürfte aber nichts mehr hinzukommen, sagte Finanzchef Vogel.

Vergleichsweise gut geschützt sieht sich die Hannover Rück vor den Kosten des seit März geltenden Flugverbots für Boeings neuesten Mittelstreckenjet 737 Max. Der Rückversicherer habe dafür 25 Millionen Euro reserviert. Der Konzern muss voraussichtlich im Zuge der Produkthaftpflicht-Versicherung für einen Teil des Schadens aufkommen, den das weltweite Startverbot anrichtet.

Wegen der Belastungen blieb den Prämieneinnahmen im Schaden- und Unfallgeschäft im zweiten Quartal auch weniger übrig als ein Jahr zuvor. Die kombinierte Schaden-Kosten-Quote verschlechterte sich von 95,6 auf 97,7 Prozent und verfehlte damit die Erwartungen von Analysten.

Unterdessen konnte die Hannover Rück bei ihren Kunden in dem umkämpften Geschäft nach eigenen Angaben wieder an der Preisschraube drehen. Bei den Erneuerung der Verträge mit Erstversicherern im Juni und Juli habe sie teils deutliche Preiserhöhungen durchsetzen können. Dies gelte vor allem für Deckungen von Naturkatastrophenschäden in Nordamerika, sagte Vogel. Das stimme ihn mit Blick auf dieses Geschäft positiv.

Rückversicherer wie die Hannover Rück konnten im Schaden- und Unfallgeschäft insgesamt seit Jahren kaum höhere Prämien durchsetzen. Zu hart ist der Wettbewerb in der Branche, die auf extrem komfortablen Kapitalpolstern sitzt. Das Angebot an Rückversicherungsschutz ist dadurch immens, die Nachfrage hält nicht mit. Hinzu kommt Konkurrenz durch Hedge- und Pensionsfonds, die Milliardensummen etwa in Katastrophenanleihen angelegt haben und dadurch in der Branche mitmischen.

Den Geldfluss für die Aktionäre will die Hannover Rück unterdessen aufrechterhalten. Vogel stellte für 2019 eine weitere Sonderdividende in Aussicht. Aus heutiger Sicht könne die Hannover Rück je Anteilsschein mindestens wieder so viel ausschütten wie für 2018, sagte er. Für das abgelaufene Jahr hatte der Konzern je Aktie eine Dividende von 5,25 Euro gezahlt, davon 1,50 Euro als Sonderausschüttung. Analysten gehen für 2019 im Schnitt schon von insgesamt etwa 5,60 Euro je Aktie aus./stw/jsl/mis