"Die Werkstoffpreise waren weit ins zweite Quartal und damit länger als erwartet unter Druck. Zudem war der Preisverfall stärker als angenommen", sagte Vorstandschef Heinrich Hiesinger am Dienstag. Er rechnet für das Geschäftsjahr 2015/16 (per Ende September) daher nur noch mit einem operativen Gewinn von mindestens 1,4 Milliarden Euro, nachdem zuvor bis zu einer halben Milliarde mehr in Aussicht gestellt worden war. Dem Essener Industriekonzern machen wie der gesamten Branche um Weltmarktführer ArcelorMittal im Geschäft mit dem Werkstoff Stahl Billigimporte aus China, Überkapazitäten und ein enormer Preisdruck zu schaffen.

Thyssenkrupp verschreckte damit die Anleger. Die Aktie gab zeitweise mehr als fünf Prozent nach und war damit größter Verlierer im Leitindex Dax. Der Druck für Zusammenschlüsse in der Schwerindustrie dürfte nun weiter zunehmen.

Hiesinger zufolge gibt es bei den Stahlpreisen zwar eine Erholung. "Diese Erholung kommt aber später als ursprünglich erwartet, von einem niedrigeren Niveau und wird sich zusätzlich erst zeitversetzt in unseren Kennzahlen widerspiegeln", betonte der Manager. Dem Konzern zufolge kann dies bis zu sechs Monate dauern. Branchenexperten hatten zwar mit einer Prognosesenkung gerechnet. "Allerdings nicht in diesem Ausmaß", sagte ein Händler. Statt einer Steigerung des operativen Ergebnisses gegenüber den zuletzt erzielten 1,68 Milliarden Euro droht nun 2015/16 ein Gewinnrückgang. Der Überschuss von zuletzt 268 Millionen Euro soll stabil bleiben und nicht mehr deutlich steigen.

Die florierende Aufzugssparte, die zum 14. Mal in Folge im Vorjahresvergleich ihr Ergebnis verbesserte, kann die Einbußen im Stahlgeschäft nicht wettmachen. Auch im Geschäft mit Autoteilen und im Anlagenbau konnte Thyssenkrupp zulegen. Im U-Boot-Bau hatte das Unternehmen im Rennen um einen 34-Milliarden-Euro-Auftrag aus Australien gegen den französischen Konkurrenten DCNS den Kürzeren gezogen. Insgesamt schrumpfte der operative Gewinn des Konzerns im zweiten Quartal um ein Fünftel auf 326 Millionen Euro. Im Halbjahr hat Thyssenkrupp erst 560 Millionen Euro in der Tasche. In der europäischen Stahlsparte fiel das Ergebnis im Quartal um fast die Hälfte auf 65 Millionen Euro. Damit steht Thyssenkrupp allerdings nicht alleine. Bei ArcelorMittal war der Gewinn im angelaufenen Quartal um ein Drittel eingebrochen.

THYSSEN SIEHT STAHLSPARTE TROTZ EINBUSSEN GUT AUFGESTELLT

Die Stahlsparte sei immer noch ein gutes Geschäft, betonte Finanzchef Guido Kerkhoff in einer Telefonkonferenz. Trotz der Einbußen schreibe sie operativ noch schwarze Zahlen. "Das schaffen nicht viele." Zusammenschlüsse in der Branche seien dennoch sinnvoll. "Wir haben weltweit Überkapazitäten, aber wir dürfen nicht vergessen, wir haben auch in Europa Überkapazitäten im Flachstahl." Bei den Arbeitnehmervertretern von Thyssenkrupp treffen solche Überlegungen auf Widerstand. "Ich sehe dazu keinen Grund". So etwas gehe immer zu Lasten der Beschäftigen, hatte Konzernbetriebsratschef Wilhelm Segerath jüngst der Nachrichtenagentur Reuters gesagt. Die Branche beschäftigt knapp 90.000 Mitarbeiter in Deutschland und über 300.000 in Europa.

Insidern zufolge spricht Thyssenkrupp mit dem Konkurrenten Tata Steel über einen Zusammenschluss. Kerkhoff blieb auf Nachfrage vage. "Im Stahlsektor redet jeder mit jeden. Wenn wir etwas Konkreteres hätten, würden wir darüber informieren müssen und auch tun. Mehr kann man zu diesem Zeitpunkt dazu nicht sagen." Thyssenkrupp reagiert auf die Einbußen auch mit weiteren Einsparungen. Da gebe es noch Spielraum, sagte Kerkhoff. "Konsolidierung und eine Verringerung der Überkapazitäten ist sicherlich angesagt und sollte passieren. Aber in diesem Umfeld stehen wir profitabel da und sehen noch Potenzial, uns zu verbessern."