- von Tom Käckenhoff und Christoph Steitz und Maytaal Angel

Die Größe des neuen Branchenriesen ruft aber nun auch die EU-Wettbewerbshüter auf den Plan, die die Vereinbarung der Stahlkocher auseinander nehmen werden. Eine Freigabe des größten Deals in der europäischen Stahlbranche seit über zehn Jahren noch 2018 halten Experten für ambitioniert. Auflagen wie Verkäufe von Geschäftsteilen seien hingegen möglich, eine Untersagung der Fusion eher unwahrscheinlich.

"Der Hauptnachteil einer Verzögerung ist, dass die Partner dann die angepeilten Synergien erst später realisieren können", sagte Rechtsanwalt Jens Steger, der im Frankfurter Büro von Simmons & Simmons das deutsche und europäische Kartellrecht verantwortet. "Ein Closing im vierten Quartal wäre ein sehr ambitionierter Zeitplan." Es werde wahrscheinlich eine vertiefte Prüfung durch die EU-Kommission geben. Auch ohne die Details der Transaktion genau zu kennen, spreche einiges dafür, dass Verkäufe diskutiert würden, fügte der 37-Jährige hinzu, der auf Seiten des US-Saatgutkonzerns Monsanto bei der Übernahme durch Bayer dabei war.

Dem Experten zufolge mischen in dem Thyssen/Tata-Verfahren schon jetzt diverse Spieler mit. "Wir erhalten vermehrt Anfragen von Drittparteien, die an dem Zusammenschluss partizipieren und formal Teil des Verfahrens werden wollen. Das können zum Beispiel Wettbewerber sein, die ein Auge auf eventuelle abfallende Assets geworfen haben, oder auch Aktionäre, die gegen die Fusion sind."

KLEINER ALS ARCELORMITTAL - ZU HOHE MARKTMACHT DER RIESEN?

Thyssenkrupp-Chef Hiesinger hatte am Wochenende nach über zweijährigen Verhandlungen das Stahl-Joint-Venture mit Tata unter Dach und Fach gebracht. Die Konzerne wollen einen neuen Branchenriesen mit rund 48.000 Mitarbeitern und einem Umsatz von rund 17 Milliarden Euro schmieden. Hiesinger hofft auf eine Freigabe bis Ende des Jahres. Es könne aber auch erst im Auftaktquartal 2019 soweit sein. Der Konzern wollte sich zu dem Fall am Mittwoch nicht äußern. Das Fusionskontrollverfahren sei noch gar nicht offiziell eröffnet worden.

Die größte Hürde dürfte die EU-Kommission werden, die sich die Auswirkungen auf den Wettbewerb genau anschauen wird. Bei den Kundengruppen von Thyssen und Tata gibt es Überschneidungen. "Zu den großen Abnehmern gehört die Automobilindustrie, wo das Joint Venture eine sehr starke Position hat", sagte ein in der Stahlindustrie gut verdrahteter Banker. Es gebe in der Schwerindustrie aber nach wie vor einen ordentlichen Wettbewerb mit Playern wie ArcelorMittal, Voestalpine oder Salzgitter. "Ich glaube daher nicht, dass es dort zu einem Dealbreaker kommen wird. Bei den Nischenprodukten könnte es hingegen Auflagen geben. Dann muss man halt einzelne Teile verkaufen. Das wäre aber kein Problem."

Jefferies-Analyst Seth Rosenfeld äußerte sich ähnlich. Im wichtigen Flachstahlbereich, wo die Konzerne etwa Bleche für die Autoindustrie herstellen, kämen die Partner hinter ArcelorMittal auf einen Marktanteil von etwa 27 Prozent, was kein Problem wäre. In Randbereichen wie etwa beim Verpackungsstahl könne das hingegen anders aussehen, so das Verkäufe notwendig sein könnten. Einem Branchenexperten zufolge kommen Thyssenkrupp und Tata hier auf einen Marktanteil von 50 Prozent. Zu Thyssenkrupp gehört hier die Tochter Rasselstein. Das Unternehmen mit Sitz im rheinland-pfälzischen Andernach beschäftigt rund 2400 Mitarbeiter und erzielte im Geschäftsjahr 2015/16 einen Umsatz von 1,2 Milliarden Euro.

Tata hatte bereits vor dem Deal mit Thyssen den Verkauf von Geschäften mit rund 1100 Mitarbeitern auf den Weg gebracht. ArcelorMittal musste für die Übernahme des italienischen Konkurrenten Ilva eine Reihe von Geschäften abstoßen. Schwierig könnte es einem Kartellexperten zufolge für Thyssen und Tata werden, wenn sich die EU-Kommission die Marktmacht der alten und neuen Nummer Eins in Europa, ArcelorMittal, und der neuen Nummer Zwei, Thyssenkrupp Tata Steel, zusammen anschaut. Mit ihrem nun nochmal größer gewordenen Marktanteil könnten die beiden Branchenführer eine Art Duopol abbilden. Wenn nicht jeder für sich, so könnten sie doch gemeinsam marktbeherrschend sein. "Die Frage ist: "Bieten eigentlich die verbleibenden Wettbewerber noch ausreichenden Restwettbewerb?"