Die Mehrwertsteuer kann wie von der Bundesregierung geplant zum 1. Juli gesenkt werden.

Bundestag und Bundesrat stimmten am Montag in Sondersitzungen dem zweiten Corona-Steuerhilfegesetz zu. Die große Koalition erhofft sich davon Impulse für die wegen der Pandemie brachliegende Wirtschaft. Es gebe damit wieder die Chance auf Wachstum im zweiten Halbjahr, sagte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier in Berlin. Kritiker sind aber skeptisch, ob die Mehrwertsteuersenkung von 19 auf 16 Prozent und im ermäßigten Satz von sieben auf fünf Prozent auch beim Verbraucher ankommen wird.

Im Bundestag stimmten die Regierungsfraktionen CDU/CSU und SPD für das Gesetz. AfD und FDP waren dagegen, Grüne und Linke enthielten sich der Stimme. Der Bundesrat als Vertretung der Länder stimmte dem Gesetz ebenfalls zu, das damit endgültig in Kraft treten kann.

Teil des Corona-Steuerhilfegesetzes ist auch eine Bonuszahlung an Familien von 300 Euro je Kind. Unternehmen können zudem Verluste künftig besser mit Gewinnen aus der Vergangenheit verrechnen. Investitionen sollen mit besseren Abschreibungsmöglichkeiten angeregt werden. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag lobte die zügige Umsetzung. "Solche Impulse brauchen unsere Unternehmen jetzt dringend", sagte DIHK-Präsident Eric Schweitzer.

Deutschland droht dieses Jahr nach den Corona-bedingten Einschränkungen des öffentlichen Lebens die schwerste Rezession der Nachkriegszeit. Die Mehrwertsteuersenkung, die den Bund knapp 20 Milliarden Euro kosten wird, ist befristet auf das zweite Halbjahr. Allerdings gibt es bereits Forderungen, sie im Wahljahr 2021 nicht wieder zurückzunehmen.

DEUTSCHE BAHN KÜNDIGT PREISSENKUNGEN AN

Die Opposition im Bundestag kritisierte die Maßnahmen. Sahra Wagenknecht von der Linken verwies auf Experten, denen zufolge von den 20 Milliarden Mehrwertsteuersenkung nur drei Milliarden Euro beim Verbraucher ankämen. Profiteure seien dagegen große Unternehmen wie Amazon. Die staatlich gelenkte Deutsche Bahn kündigte an, ab Juli in ICE und IC die Ticketpreise zu senken. Sie würden um 1,9 Prozent reduziert. Laut einer Empfehlung des Wirtschaftsministeriums sollte der Einzelhandel die Mehrwertsteuersenkung unbürokratisch über pauschale Rabatte an der Kasse weitergeben. Dann müssten nicht alle Preisschilder in den Regalen in der Nacht zum 1. Juli geändert werden.

Die Regierung verteidigte das Konjunkturpaket, das größte in der Geschichte der Bundesrepublik. In der Finanzkrise seien es nur 80 Milliarden Euro gewesen, jetzt insgesamt 130 Milliarden, sagte CSU-Politiker Alexander Dobrindt. "Wir setzen ein starkes Signal."

Diese Woche wird im Parlament auch über weitere Maßnahmen aus dem Konjunkturpaket beraten. Bundesfinanzminister Olaf Scholz musste wegen der Hilfen einen zweiten Nachtragshaushalt für 2020 vorlegen - mit einer Nettokreditaufnahme von 62,5 Milliarden Euro, nachdem es beim ersten Nachschlag bereits 156 Milliarden waren. Es ist das erste Mal seit 2013, dass der Bund unter dem Strich mehr Schulden aufnimmt als tilgt.