DORTMUND (dpa-AFX) - Anfangs habe er sich ein bisschen gefühlt wie bei "Big Brother", sagte Axel Witsel. Nach einer Woche hätten er und seine Kollegen vom deutschen Fußball-Vizemeister Borussia Dortmund sich aber "nicht mehr um die Kameras gekümmert". Und jetzt, da das Happy End ausgeblieben ist, hofft der Belgier auf eine Neuauflage. "Vielleicht müssen sie wieder kommen und einen zweiten Film machen", sagte er der Deutschen Presse-Agentur: "Und dann hoffentlich mit anderem Ausgang."

Der Blick in die Vergangenheit fiel dem Nationalspieler und seinen sieben ebenfalls anwesenden Teamkollegen zwei Tage vor dem Bundesliga-Start jedenfalls sichtlich schwer. Vor 3000 Gästen wurde im Dortmunder Stadion erstmals eine Folge der am Freitag startenden Amazon-Dokuserie "Inside Borussia Dortmund" gezeigt.

Die Erinnerungen waren für die Protagonisten schmerzhaft. Schließlich verspielten die Dortmunder einen Neun-Punkte-Vorsprung auf den FC Bayern München, dem sie für die am Freitag beginnende Spielzeit vollmundig den Kampf angesagt haben. Die Idee einer zweiten Documentary war dabei schon vor dem Start der ersten allgegenwärtig. "Szenen am Borsigplatz wären ein schönes Schlussbild gewesen", sagte Geschäftsführer Carsten Cramer: "Aber es muss ja nicht die letzte Documentary sein. Wir haben schließlich noch Ziele."

Schon diese Doku hätte den glorreichen Weg der Dortmunder zum neunten deutschen Meistertitel nachzeichnen sollen. Der BVB selbst hatte das Projekt in der Winterpause auf den Weg gebracht. Da hatten er noch sechs Punkte Vorsprung.

Und sicher liegt es auch am unglücklichen Verlauf der Rückrunde, dass die überlange Doku das Etikett "Inside" nur in den guten Momenten rechtfertigen kann. Wenn Witsel und der Spanier Paco Alcácer beim Deutsch-Unterricht sitzen, dann erhalten die Fans die erhofften Einblicke, die ihnen sonst verwehrt bleiben. Oder wenn Julian Weigl nach dem vorentscheidenden 0:5 im Gipfel in München durch die Kabine brüllt: "Keine Eier, Mann. Wir spielen wie die kleinen Kinder!"

Auch Sitzungen oder ein Arztbesuch von Marco Reus bieten diese Innensicht. Allerdings besteht die Doku auch aus vielen biederen "ich wollte der Mannschaft helfen"-Aussagen kurz nach Schlusspfiff, die nicht mehr Einblick gewähren als die wöchentlichen Spiel-Interviews. Und die ausführlich eingebauten Rückblenden in die BVB-Historie sind hervorragend gemacht, hemmen aber erheblich den Erzählfluss.

Regisseur Aljoscha Pause, der das Genre der Fußball-Dokus durch Filme wie "Tom meets Zizou" oder "Trainer" geprägt hat, versicherte, er habe in den Interviews "mehr an Echtheit, Nähe und Offenheit bekommen, als ich mir hätte erträumen lassen". Ein Happy End habe es bei aller Sympathie zu den Protagonisten nicht gebraucht. "Brechungen und Scheitern" seien mindestens ebenso spannend.

Alle hätten auch schnell gemerkt, "dass wir uns nicht verstellen müssen", versicherte Kapitän Reus. Doch die vielen Enttäuschungen der Rückrunde drückten augenscheinlich die Bereitschaft, sich zu sehr zu öffnen. "Wenn du verloren und scheiße gespielt hast, ist es nicht so ein gutes Gefühl", sagte Torhüter Roman Bürki: "Nach einem Spiel war ich so sauer, dass ich gar nicht reden wollte."

Nach einem 0:5 in München sei es eben schwieriger, sagte Reus: "Aber man weiß, dass es ein Teil der Doku ist, dass sie auch Schattenseiten zeigt." Insgesamt habe die Arbeit an dem Projekt "riesig Spaß gemacht". Auf die Idee, dass die ungewohnte Kamera-Begleitung den BVB sogar den Meister-Titel gekostet haben könnte, müsse übrigens niemand kommen, versichert BVB-Geschäftsführer Cramer: "Selbst nach Niederlagen hat keiner diese an der Präsenz des Kamera-Teams festgemacht."/sho/DP/zb