MÜNCHEN (awp international) - Ein Sonderertrag in der US-Lebensversicherung hat Europas grösstem Versicherer Allianz im zweiten Quartal einen überraschenden Gewinnanstieg beschert. Auch beim hauseigenen Vermögensverwalter Pimco läuft es glänzend. Vorstandschef Oliver Bäte sieht die Allianz "auf einem guten Weg", 2019 wie geplant einen operativen Gewinn zwischen 11 und 12 Milliarden Euro zu erwirtschaften. Von Januar bis Juni hat der Konzern mit 6,1 Milliarden Euro gut die Hälfte davon erreicht, wie er am Freitag in München bekanntgab.

Die Allianz-Aktie konnte sich dem Abwärtstrend an den Börsen am Freitag angesichts des eskalierenden Handelsstreits zwischen den USA und China dennoch nicht entziehen. Am Vormittag sackte ihr Kurs um 2,64 Prozent auf 206,25 Euro ab und lag damit im Mittelfeld des Dax . Zuvor hatte die Aktie seit dem Jahreswechsel rund ein Fünftel an Wert gewonnen. Mit weiteren Aktienrückkäufen als möglicher Kurstreiber will der Vorstand erst einmal warten.

Im zweiten Quartal profitierte die Allianz vor allem von ihrem Geschäft mit Lebens- und Krankenversicherungen. Konzernweit legte das operative Ergebnis im Vergleich zum Vorjahreszeitraum dadurch um gut fünf Prozent auf knapp 3,2 Milliarden Euro zu. Damit übertraf der Versicherer die Erwartungen selbst der optimistischsten Experten.

Analyst Johnny Vo von der Investmentbank Goldman Sachs verwies aber auf einen positiven Sondereffekt in der US-Lebensversicherung. Ohne diesen hätte der Gewinn wohl im Rahmen der Erwartungen gelegen. Für 2019 gingen Experten zuletzt von einem operativen Ergebnis von rund 11,8 Milliarden Euro aus.

Ihren Umsatz steigerte die Allianz im zweiten Quartal um sechs Prozent auf 33,2 Milliarden Euro. Unter dem Strich blieb mit 2,1 Milliarden Euro rund 13 Prozent mehr Gewinn übrig als ein Jahr zuvor. Damals hatte der Verkauf der klassischen Lebensversicherungen in Taiwan das Ergebnis belastet.

Angesichts der anhaltenden Niedrigzinsen hat die Allianz ihr Produktangebot in der Lebensversicherung grösstenteils auf neue Verträge ohne klassischen Garantiezins umgestellt. Diese binden weniger Kapital und sollen den Kunden die Chance auf höhere Renditen bieten. Für den Konzern zahlt sich das bisher aus. Im zweiten Quartal wuchsen die Einnahmen in den wichtigen Märkten Deutschland und USA, und die Marge im Neugeschäft stieg von 3,5 auf 3,6 Prozent.

Der operative Gewinn der Lebens- und Krankenversicherungssparte zog um fast 15 Prozent an. Das lag aber vor allem an einer veränderten Abschreibungsdauer für bestimmte Rentenversicherungsverträge in den USA. Die Kapitalanlagen warfen weniger ab - wie auch in der grössten Sparte des Konzerns, der Schaden- und Unfallversicherung. Dort ging der operative Gewinn deshalb um fünf Prozent zurück.

Allerdings zehrten auch die Aufwendungen für Schäden, Verwaltung und Vertrieb etwas mehr von den Prämieneinnahmen auf. Am teuersten schlugen diesmal die Hagelstürme "Jörn" und "Klaus" mit insgesamt rund 200 Millionen Euro zu Buche.

Auch der letzte Absturz und das Flugverbot für Boeings Mittelstreckenjet-Modell 737 Max zehrten am Ergebnis. So legte die Allianz für diesen Fall zu den bisherigen 50 Millionen im zweiten Quartal weitere 20 Millionen Euro zurück. Insgesamt dürften es aber weiter nicht mehr als 150 Millionen werden, sagte Terzariol.

Unterdessen will die Allianz im Schaden- und Unfallgeschäft weiter aufdrehen. Dazu will der Vorstand mehr Angebote zentral für viele Länder entwickeln lassen und so Kosten und Komplexität verringern. So startet der Konzern mit Allianz Direct einen digitalen Versicherer für mehrere Länder. In Deutschland solle Allianz Direct im Herbst mit einer Kfz-Versicherung starten, sagte Terzariol. Dann beginnt die jährliche Wechselsaison in dem Segment.

Gut lief es im Fondsgeschäft der amerikanischen Allianz-Tochter Pimco. Die Kunden schoben unter dem Strich umgerechnet zusätzliche 23 Milliarden Euro in die Fonds. Pimcos Schwestergesellschaft Allianz Global Investors (AGI) musste hingegen Abflüsse von rund drei Milliarden Euro hinnehmen.

Insgesamt verwalteten die beiden Gesellschaften der Allianz im zweiten Quartal damit im Schnitt Kundengelder im Wert von fast 1,6 Billionen Euro - rund fünf Prozent mehr als im ersten Jahresviertel und acht Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Für den Konzern zahlte sich das auch mit einem höheren operativen Gewinn aus.

Auf einen weiteren milliardenschweren Aktienrückkauf müssen die Anteilseigner der Allianz unterdessen noch warten. Der Versicherer wolle sich zunächst nach weiteren Übernahmezielen umschauen, stellte Terzariol klar. Bis zu einer Entscheidung dürfte es bis Anfang 2020 dauern.

Zuletzt hatte die Allianz die Komplettübernahme des Sachversicherungsgeschäfts der britischen Versicherer Legal & General und Liverpool Victoria (LV GIG) eingefädelt. In diesem Segment schaut sich die Allianz-Führung weiter um. Bisher befand sie die angebotenen Gesellschaften aber oft für uninteressant oder zu teuer.

Mangels Alternativen hat der Konzern seit 2017 daher rund 7,5 Milliarden Euro in den Rückkauf eigener Aktien gesteckt. Das bisher letzte Rückkaufprogramm lief erst vor wenigen Tagen aus./stw/men/jha/