FRANKFURT (dpa-AFX) - Die Kunden deutscher Lebensversicherer müssen trotz der verschärften Niedrigzinsen im Euroraum einem Experten zufolge kaum weitere Einschnitte bei der Überschussbeteiligung fürchten. "Bei der Verzinsung sind die Gestaltungsmöglichkeiten weitgehend ausgeschöpft", sagte der Chefaktuar von Policen Direkt, Henning Kühl, laut Mitteilung vom Mittwoch in Frankfurt. Der Spielraum nach unten sei bei den meisten Anbietern wegen der Garantien in den bestehenden Verträgen eng begrenzt. Für die meisten Versicherer gehe es allerdings "weiterhin darum, die garantierten Leistungsversprechen langfristig erfüllen zu können".

2019 liegt die laufende Verzinsung klassischer deutscher Lebensversicherungen wie im Vorjahr im Schnitt bei 2,34 Prozent. Zuvor war sie über Jahre hinweg gesunken. Die Unternehmen geben in diesen Wochen die Verzinsung der Verträge für 2020 bekannt. Dass der Niedergang der Überschüsse zuletzt praktisch stoppte, lag vor allem an einer Neuregelung der Zinszusatzreserve (ZZR). Seit 2018 müssen die Versicherer weniger Geld zur Absicherung hoher Garantien aus Altverträgen zurücklegen.

Einer Studie von Policen Direkt zufolge hat sich die Ertragslage der Branche zumindest 2018 deutlich verbessert. Allerdings reichten die Kapitalerträge bei 30 von 84 deutschen Lebensversicherern nicht aus, um die Garantie- und Reserve-verpflichtungen zu decken. 29 von ihnen konnten diese Lücke mithilfe von Risiko- und Verwaltungsgewinnen füllen. Bei einem Unternehmen - der Landeslebenshilfe - reichte selbst das nicht aus.

2017 hatte die Ertragslage der Branche noch schlechter ausgesehen. Damals deckten die Kapitalerträge bei 39 Gesellschaften die Anforderungen nicht ab. Auch nach Einrechnung von Risiko- und Verwaltungsgewinnen lagen 5 Versicherer unter der Schwelle von 100 Prozent. 2018 verbesserte sich das Verhältnis von Kapitalerträgen zu den Rechnungszins-Anforderungen von 105,24 auf 114,03 Prozent. Rechnet man die Risiko- und Verwaltungsgewinne dazu, stieg die Gesamt-Ertragsstärke von 126,02 auf 141,75 Prozent.

Die Finanzaufsicht Bafin beobachtet die Lage von Lebensversicherern und Pensionskassen im Zinstief mit wachsender Sorge. "Die Situation der Lebensversicherer und Pensionskassen erfordert, dass wir unsere Kontrolle verstärken", hatte der Chef der Versicherungsaufsicht, Frank Grund, Ende Oktober gesagt. Die jüngste Zinssenkung im Euroraum habe die Herausforderung für die Versicherer weiter vergrößert. Zuletzt standen etwa 20 Lebensversicherer und 31 Pensionskassen unter intensivierter Aufsicht. Die Behörde geht davon aus, dass die Zahlen stark steigen werden.

Zu den Kunden der Lebensversicherer zählt auch Policen Direkt. Das Unternehmen kauft bestehende Lebensversicherungsverträge von Kunden auf und führt sie bis zum Ablauf weiter./stw/eas/jha/