"Wir müssen den Menschen die Chance geben, in Afrika selbst gutes Geld zu verdienen", sagte Nooke in einem am Mittwoch veröffentlichten Reuters-Interview. "Heute gibt es weniger Industrieproduktion in Afrika als zur Kolonialzeit. Das ist erschreckend." Ein Grund dafür sei die massive Korruption in vielen afrikanischen Staaten, die ausländische Firmen abschrecke. "Warum schafft man da nicht Sonderentwicklungszonen, in denen die Staaten für 50 Jahre ihre Hoheitsrechte abgeben und vielleicht die EU den Rechtsrahmen für Investitionen von Firmen aus dem Ausland garantiert?" fragte Nooke. "Hongkong war etwas, womit die Chinesen sehr gut gefahren sind. Von Hongkong aus wurde das Festland industrialisiert."

Nooke äußerte sich zum Beginn der Reise von Bundeskanzlerin Angela Merkel in die westafrikanischen Staaten Senegal, Ghana und Nigeria. Deutsche Behörden behandeln die drei Länder als Demokratien, in denen es keine staatliche Verfolgung gibt. Dennoch war Afrikas bevölkerungsreichstes Land Nigeria zuletzt nach Syrien und dem Irak der Staat, aus dem die meisten Menschen Asyl in Deutschland beantragten. Ähnlich wie Menschen aus Ghana und Senegal erhalten Nigerianer aber selten Asyl oder einen Flüchtlingsstatus.

"Das sind demokratische Länder, wo es keine politischen Flüchtlinge gibt", sagte Nooke. "Wir haben es hier nicht mit Flüchtlingen zu tun, sondern mit Wirtschaftsmigranten, die verständlicherweise in Europa nach einer Perspektive für sich und ihre Familien suchen." Im Senegal etwa würden in Umfragen acht von zehn jungen Männern zwischen 20 und 30 angeben, sie würden nach Europa auswandern, wenn sie denn könnten. Ihr Ziel sei es, Geld zu verdienen und nach Hause zu schicken. Gerade Migranten aus diesen weiter entwickelten Ländern müsse Europa helfen, gut bezahlte Jobs zu finden. Würden sie einfach alle in Europa aufgenommen, schade dies auch deren Heimatländern.

ÄRMSTE AFRIKANER KÖNNEN SICH MIGRATION GAR NICHT LEISTEN

"Die Leute, die sich die 5000 oder 10.000 Dollar für die Überfahrt leisten können, sind ja genau die, die besser ausgebildet sind und denen zugetraut wird, in Europa Geld zu verdienen", sagte Nooke. "Das Dorf sammelt das Geld und schickt dann denjenigen weg, der die größte Rendite verspricht - sprich Geld, das er später von Europa aus zurückschickt." In Europa sei aber vielen nicht bewusst, "dass gerade die ärmsten Menschen in Afrika sich die Flucht oder Migration nach Europa gar nicht leisten können", sagte der frühere DDR-Bürgerrechtler. "Die richtigen Flüchtlinge sind Binnenvertriebene im eigenen Land, oder sie schaffen es nach Naturkatastrophen oder Kriegen gerade noch ins Nachbarland, wo sie dann in Lagern irgendwie versuchen zu überleben."

Europa müsse daher um seiner selbst und auch der afrikanischen Staaten willen klar unterscheiden zwischen Flüchtlingen und Zuwanderern aus wirtschaftlichen Gründen. "Wir werden das Problem nicht durch legale Migration für 10.000 oder 100.000 Menschen lösen, und wir werden es auch nicht lösen, indem wir 100.000 Menschen zurückschicken", mahnte Nooke. "Es geht in den nächsten zehn Jahren um vielleicht zehn oder 50 Millionen Menschen, die kommen wollen." Für sie müsse es eine klare Ansage geben: "Es gibt keine Chance, nach Europa zu kommen - aber es gibt Chancen, einen guten Job in Afrika zu finden."

Um die Ausgangsvoraussetzungen dafür zu schaffen, müsse Druck auf die afrikanischen Staats- und Regierungschefs ausgeübt werden. "Überall auf der Welt ist ein Kraftwerk eine Lizenz zum Gelddrucken, nur in Afrika braucht man dafür öffentliches Geld", kritisierte Nooke. Dies liege unter anderem an Korruption und schlechter Regierungsführung. Um die Lage zu ändern, müssten sich die Staats- und Regierungschefs viel stärker als bisher für ihre Bürger verantwortlich fühlen. "Entweder, die Staats- und Regierungschefs machen selbst eine bessere Politik oder sie geben Sonderwirtschaftszonen frei. Dann ist es natürlich an Europa, für eine Anschubfinanzierung zu sorgen", forderte Nooke.

Beispiele für derartige Vorhaben gebe es bereits. "Der König von Marokko hat das am Hafen von Tanger gemacht. Dort sind über 100.000 Arbeitsplätze entstanden für Zulieferer von Automobil-, Luft- und Raumfahrttechnik", sagte der Bürgerrechtler. Renault und andere französische Autobauer seien die ersten Investoren gewesen, produziert werde nun vor allem für die Märkte in Spanien, Frankreich und Italien. Ähnliche Projekte seien auch anderswo denkbar. Gerade in der aktuellen Niedrigzinsphase seien Unmengen Geld vorhanden, das nach Anlagemöglichkeiten suche. Dank der niedrigen Zinsen müssten die Renditen nicht einmal besonders hoch ausfallen, um attraktiv zu sein. "Im besten Fall sagt die Allianz: Wir investieren hundert Milliarden von unserem Pensionsfonds dort", sagte Nooke.