MOBILE (dpa-AFX) - Der Luftfahrt- und Rüstungskonzern Airbus drängt weiter auf den Heimatmarkt seines Erzrivalen Boeing. Mit einer neuen Produktionslinie im Bundesstaat Alabama wollen die Europäer bald auch ihren jüngsten und kleinsten Passagierjet A220 in den USA zusammenbauen. Außerdem spekulieren Manager des Konzerns auf die Chance, bei einer erwarteten neuen Ausschreibung der US-Luftwaffe möglicherweise an die 200 Airbus-Tankflugzeuge an die Amerikaner verkaufen zu können.

Beim ersten Spatenstich für die A220-Produktionslinie am Airbus-Standort in Mobile (Alabama) bezeichneten der scheidende Airbus-Chef Tom Enders und sein Nachfolger Guillaume am Mittwoch das Thema Tankflugzeug zwar als "Zukunftsmusik". Airbus' Amerika-Chef Jeff Knittel und weitere Manager hatten jedoch zuvor berichtet, dass sich die Europäer auf eine solche Ausschreibung vorbereiteten. "Ich verstehe bis heute nicht, warum die beste Air Force der Welt nicht den besten Tanker der Welt fliegt", sagte Enders mit Blick auf das US-Militär.

Die letzte Ausschreibung über 179 Tankflugzeuge hatte Airbus vor einigen Jahren zunächst gewonnen, im Jahr 2011 in einer rechtlich umstrittenen dritten Runde allerdings wieder an Boeing verloren. Der US-Konzern musste seinen Jet danach erst noch entwickeln, das erste Exemplar nahmen die USA vor wenigen Tagen trotz Mängeln entgegen. Der Airbus-Tanker A330-MRTT ist hingegen schon bei der Luftwaffe mehrerer anderer Staaten im Einsatz.

Für eine neue Ausschreibung der USA hat sich Airbus bereits mit dem US-Konzern Lockheed Martin verbündet. Ob die Europäer den Flieger, der auf dem Passagierjet A330 basiert, im Falle eines Zuschlag in den USA bauen würden, ließ Amerika-Chef Knittel nun offen. Das vor wenigen Jahren eröffnete Airbus-Werk in Mobile war ursprünglich für das Tankflugzeug geplant gewesen.

Mit dem verstärkten US-Engagement will Airbus auch mehr amerikanische Fluggesellschaften als Käufer gewinnen. "Nordamerika ist der größte Markt für die A220", sagte Enders. Mit Platz für 120 bis 150 Passagiere ist die Maschine kleiner als die bisherigen Airbus-Jets, aber größer als die meisten Regionalflugzeuge. In Mobile fertigt Airbus bereits seit 2015 seinen Mittelstreckenjet A320, inzwischen mit gut 900 Mitarbeitern. Durch die A220 sollen 400 weitere Jobs hinzukommen.

Von dem kleinsten Airbus-Jet sollen in Mobile künftig bis zu 48 Exemplare pro Jahr fertig werden. Die Produktion solle noch in diesem Jahr anlaufen, die erste Auslieferung sei für Mitte 2020 geplant, sagte der Chef des A220-Gemeinschaftsunternehmens, Philippe Balducchi. Dadurch sollen rund 400 neue Jobs entstehen.

Der Flugzeugmarkt in den USA wird bisher von Boeing dominiert, der seit Jahren auch seine Stellung als weltgrößter Flugzeugbauer behauptet. Im vergangenen Jahr lieferte Boeing insgesamt 806 Passagier- und Frachtflugzeuge aus. Airbus war ihm mit 800 ausgelieferten Jets aber dicht auf den Fersen.

Der Airbus A220 ist kein originärer Airbus-Jet, sondern wurde vom kanadischen Bombardier-Konzern unter dem Namen C-Serie entwickelt. Weil sich Bombardier mit dem Projekt finanziell verhoben hatte, übernahm Airbus Mitte vergangenen Jahres die Mehrheit an dem Flugzeugtyp und benannte ihn um. Die Partner des A220-Gemeinschaftsunternehmens - Airbus, Bombardier und die kanadische Provinz Quebec - teilen sich nun auch die Investitionssumme für 300 Millionen US-Dollar (263 Mio Euro) für die Produktionslinie in Mobile.

Bisher wird die A220 im kanadischen Mirabel gefertigt. Dort soll die Produktion von zuletzt 33 auf bis zu 120 Maschinen pro Jahr steigen. Angesichts des Auftragsbestands von zuletzt 537 Maschinen des Typs sieht Airbus eine ausreichende Grundlage für den Ausbau der Produktion./stw/he