TOULOUSE (awp international) - Der Erfolg der A320neo-Mittelstreckenjets beflügelt den Luftfahrt- und Rüstungskonzern Airbus . Umsatz und Gewinn legten im zweiten Quartal deutlich zu. Doch die massenhaften Bestellungen setzen den europäischen Hersteller immer stärker unter Druck: Der Zeitplan für die Auslieferungen ist 2019 erneut auf Kante genäht, und der neue Konzernchef Guillaume Faury lotet die Möglichkeiten für einen weiteren Ausbau der Produktion aus. Derweil könnte Airbus den US-Konzern Boeing in dessen Krisenjahr als grössten Flugzeugbauer der Welt ablösen.

An der Börse kamen die Nachrichten gut an. Die Airbus-Aktie legte am Mittwochvormittag in Paris um 0,75 Prozent auf 128,68 Euro zu und gehörte damit zu den stärkeren Werten im französischen Leitindex Cac-40. Wie schon vor einigen Tagen war der Konzern an der Börse damit mehr als 100 Milliarden Euro wert - auch wenn die Aktie ihr Rekordhoch von Mitte Juli noch nicht wieder erreichte. Im laufenden Jahr hat das Papier bereits mehr als die Hälfte an Wert gewonnen.

Im zweiten Quartal trieb die wachsende Produktion der A320neo-Modellfamilie den Konzern kräftig an, wie Airbus am Mittwoch in Toulouse mitteilte. Der Umsatz legte im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 23 Prozent auf 18,3 Milliarden Euro zu. Der um Sondereffekte bereinigte operative Gewinn (bereinigtes Ebit) legte um 72 Prozent auf 1,98 Milliarden Euro zu und übertraf damit die Erwartungen von Analysten.

Unter dem Strich verdiente der Boeing-Rivale knapp 1,2 Milliarden Euro und damit mehr als fünfmal so viel wie ein Jahr zuvor. In der ersten Jahreshälfte 2018 hatten hohe Steuern und Bewertungseffekte das Ergebnis belastet.

Airbus-Chef Guillaume Faury sieht den Konzern zwar auf Kurs, im laufenden Jahr wie geplant 880 bis 890 Passagier- und Frachtflugzeuge auszuliefern, mindestens 80 mehr als im bisherigen Rekordjahr 2018. Der operative Gewinn soll - Fusionen und Übernahmen herausgerechnet - um rund 15 Prozent steigen.

Faury warnte allerdings, der Zeitplan bleibe im zweiten Halbjahr herausfordernd. So hat der Hersteller in der ersten Jahreshälfte insgesamt 389 Verkehrsjets an seine Kunden übergeben. Von Juli bis Dezember muss er daher mindestens 491 Maschinen fertig und vom Hof bekommen.

Angesichts des dicken Auftragsbuchs will die Airbus-Konzerführung die Produktion der A320-Modellfamilie weiter ausbauen. Ab dem Jahr 2021 sollen monatlich bereits 63 Jets der Typen A318, A319, A320, A321 und der spritsparenden "neo"-Varianten die Airbus-Werke in Frankreich, Deutschland, China und den USA verlassen. Man wolle noch im laufenden Jahr entscheiden, wie stark die Produktionsrate in den Jahren danach weiter steigen solle, sagte Faury.

Vor allem die Langversion A321neo, die früher nur für einen kleineren Anteil der Bestellungen stand, ist bei den Airlines immer stärker gefragt. Mit der Vorstellung der Langstreckenvariante A321XLR im Juni die Einsatzmöglichkeiten der Modellreihe noch erweitert - und weitere Aufträge an Land gezogen.

Wenn die Produktion des Riesenjets A380 in Hamburg im Jahr 2021 wie geplant auslaufe, könne man freiwerdende Flächen für die Ausweitung der A321neo-Produktion umwidmen, sagte Faury. Erst vor gut einem Jahr hatte der Konzern in der Hansestadt eine weitere Montagelinie für die A320-Familie eröffnet.

Die A320neo ist die Neuauflage des Mittelstreckenjets A320 und zugleich das Konkurrenzmodell zu Boeings Krisenflieger 737 Max. Für den Boeing-Jet gilt nach zwei Abstürzen mit 346 Toten derzeit ein weltweites Flugverbot. Der US-Konzern hatte die "Max" als weniger spritdurstige Neuauflage seines langjährigen Verkaufsschlagers Boeing 737 entwickelt, nachdem Fluggesellschaften reihenweise zum neuen Airbus A320neo zu wechseln drohten.

Der Airbus-Jet soll vor allem dank sparsamerer Triebwerke bis zu 20 Prozent weniger Treibstoff je Fluggast verbrauchen als sein Vorgängermodell. Boeing versuchte Ähnliches mit der 737 Max zu erreichen. Doch die sparsameren und grösseren Triebwerke passten nicht unter die niedrig hängenden Tragflächen des Boeing-Jets und wurden daher weit vorn angebracht. Eine Software, die das dadurch veränderte Flugverhalten der "Max" ausgleichen sollte, gilt bisherigen Untersuchungen zufolge als mitverantwortlich für die beiden tödlichen Unglücke. Wann die "Max"-Jets wieder starten dürfen, ist derzeit weiter offen.

Airbus kann von Boeings Krise bisher nur bedingt profitieren. Zwar stach der Hersteller seinen US-Rivalen bei den Neuaufträgen auf der weltgrössten Luftfahrtmesse in Le Bourget bei Paris im Juni aus. Doch bei den Mittelstreckenjets ist die Airbus-Produktion über Jahre hinweg ausgebucht. Daher ist es für viele Fluggesellschaften kaum eine Option, von der 737 Max zur A320neo zu wechseln.

Allerdings darf Boeing wegen des Flugverbots seit Mitte März keine "Max"-Jets mehr ausliefern. Konzernchef Dennis Muilenburg hat inzwischen all seine Ziele für 2019 gestrichen - einschliesslich des Plans, rund 900 Passagier- und Frachtjets auszuliefern. Der Hersteller hat die Produktion der "Max" gedrosselt, und Muilenburg schloss zuletzt nicht aus, dass er sie bei einer längeren Dauer des Startverbots irgendwann komplett stoppen muss.

Nachdem Boeing seine Position als weltgrösster Flugzeugbauer schon 2018 nur noch knapp gegen Airbus verteidigen konnte, könnte der europäische Hersteller im laufenden Jahr leicht an seinem ewigen Rivalen vorbeiziehen./stw/mne/mis