HERZOGENAURACH (dpa-AFX) - Ausgerechnet im Jubiläumsjahr ist der Wachstumsmotor des Sportartikelherstellers Adidas im ersten Halbjahr etwas ins Stottern geraten. Diese Scharte will Konzernchef Kasper Rorsted in der zweiten Jahreshälfte wieder auswetzen. Anleger reiben sich derweil angesichts der bislang starken Entwicklung der Aktie die Hände. Was bei Adidas los ist, was Analysten sagen und was die Aktie macht.

DAS IST LOS BEI ADIDAS:

Der erfolgsverwöhnte Konzern muss ausgerechnet zu seinem 70. Geburtstag mit Bremsspuren beim Wachstum leben. Während Lokalrivale Puma derzeit mit zweistelligen Wachstumsraten davonprescht, fällt das Plus bei Adidas deutlich geringer aus - es lag im zweiten Quartal bei knapp 5 Prozent. Hintergrund sind Lieferengpässe insbesondere in den USA. Adidas hatte dabei die Nachfrage insbesondere im mittleren Preissegment unterschätzt. Um die Kunden zu bedienen, musste Adidas die Ware per Luftfracht aus anderen Regionen herbeischaffen - was zuletzt auch die Marge belastete. Die Probleme sollen im Schlussquartal 2019 behoben sein.

Dazu kommt, dass der Sportartikelhersteller in der Vergangenheit angesichts der guten Geschäft in den USA und China den europäischen Markt etwas vernachlässigt hat und zu lange auf die bewährten Schuhklassiker wie die Retro-Marken Stan Smith oder Superstar gesetzt hat - auch, als die Begeisterung der Kunden dafür nachließ. Adidas hat mittlerweile begonnen, das Ruder herumzureißen und konnte den Abwärtstrend im zweiten Quartal aufhalten. Im vierten Quartal will das Unternehmen dann wieder zu Wachstum zurückkehren. Der Ausblick bleibt für das laufende Jahr umsatzseitig dennoch durchwachsen.

Seine Kosten hat Adidas derweil trotz höherer Logistikkosten und Investitionen in seine Marken im Griff, die Gewinne steigen weiter. Konzernchef Rorsted hat es schon bei seinem vorherigen Job beim Konsumgüterkonzern Henkel meisterhaft verstanden, durch Einsparungen die Marge in die Höhe zu treiben.

Insgesamt herrscht Optimismus in Herzogenaurach. Die Stimmung in der Sportartikelbranche ist trotz aller Unsicherheiten über die konjunkturelle Eintrübung gut, die Industrie ist unter anderem dank des steigenden Gesundheitsbewusstseins der Menschen auf einem anhaltenden Wachstumskurs. Die Zielgruppe von Adidas ist dabei jung. Die Sportklamotten werden auch im Alltag getragen - mit Superstars wie Beyonce will Adidas seine Reichweite weiter erhöhen, gerade über die sozialen Medien. Dennoch will Adidas keine Mode- sondern eine Sportmarke bleiben. Früheren Aussagen Rorsteds zufolge macht der Konzern fast zwei Drittel des Umsatzes mit Sport, ein Drittel mit der Modemarke Originals.

Rorsted will sich dabei nicht auf alten Lorbeeren ausruhen, sondern strebt weiter nach vorn. Der Manager treibt die Digitalisierung voran, die Produkte sollen nicht immer ausgefeilter, sondern auch nachhaltiger werden. Ein zu 100 Prozent recycelter Schuh soll 2021 auf den Markt kommen. Die Zuversicht Adidas' zeigt sich auch in dem neuen Hauptquartier, das der Konzern im August eröffnete und in das er 350 Millionen Euro steckte.

DAS SAGEN ANALYSTEN:

Neuere Studien empfehlen derzeit überwiegend, die Aktie zu halten. Insgesamt ist das Verhältnis zwischen "Kaufen"- und "Halten"-Empfehlungen aber ausgeglichen. Es gibt durchaus Optimisten, die dem Papier trotz des aktuell hohen Kurswertes weitere Gewinne zutrauen.

Analyst Andreas Riemann von der Commerzbank sieht die beiden deutschen Sportartikelhersteller Adidas und Puma in einer von strukturellem und profitablem Wachstum geprägten Branche gut positioniert. Puma sei zwar die am schnellsten wachsende Marke, dafür mache ein dynamisches viertes Quartal und die niedrigere Bewertung Adidas kurzfristig attraktiver, findet er. Er stuft die Adidas-Aktie als Kauf ein und ruft ein Kursziel von 300 Euro auf.

Auch das Analysehaus RBC stuft die Aktie mit "Outperform" ein. Eine von RBC durchgeführte Umfrage unter US-Verbrauchern zum Kaufverhalten bei Sportartikelwaren lasse positive Schlüsse auf die Aktien von Adidas zu, so Analyst Piral Dadhania. Die Branche profitiere dabei insgesamt vom Trend einer alltagstauglichen Sportbekleidung.

Das Analysehaus Kepler Chevreux gehört dagegen zu denjenigen, die die Aktie auf einer Halteposition haben. Das Geschäftsmodell des Sportartikelkonzerns bleibe intakt, die Aktie sei nach einem steilen Anstieg im bisherigen Jahresverlauf aber reif für eine Pause, findet Analyst Jürgen Kolb. Zudem warnte er vor übertriebenen Renditeerwartungen. Der Experte hält die Margenerwartungen des Marktes mittlerweile für zu hoch.

In eine ähnliche Richtung zielt dabei Thierry Cota von der französischen Großbank Societe Generale. Er erklärte jüngst in einer Studie, der Fokus sollte beim Sportartikelhersteller künftig eher auf dem Umsatzwachstum als auf der Marge liegen. Er gehe nicht davon aus, dass Adidas sich weiter besser entwickeln werde als die Branche. Auch er plädiert für "Halten".

DAS MACHT DIE AKTIE:

Der Rekordlauf des Papiers wurde im August nach den durchwachsenen Zahlen gestoppt. Seit der Vorlage der Zahlen am 8. August kommt Adidas insgesamt nicht mehr vom Fleck. Dennoch ist Adidas immer noch die sich am besten entwickelnde Aktie im Dax, mit einem Kursgewinn seit Jahresbeginn von fast 50 Prozent. Allerdings hat auch hier Puma die Nase vorn, die im gleichen Zeitraum auf ein Plus von knapp 57 Prozent kommen.

Doch jüngst bröckelten die Kurse. Griffen Anleger zuletzt auch aus Sorge um die konjunkturelle Entwicklung eher bei den gut laufenden und eher risikoarmen Sportartikelherstellern zu, ist aktuell wieder mehr Risikobereitschaft im Markt vorhanden. So wurde wieder mehr in stark gebeutelte Werte investiert. Bei Adidas und auch bei Puma nahmen Anleger dagegen Gewinne mit./nas/knd/stk