NORTH CHICAGO/DUBLIN (awp international) - In der Pharmabranche bahnt sich ein weiterer Milliardendeal an: Der US-Konzern Abbvie will sich den Botox-Hersteller Allergan einverleiben. Die Vereinbarung, der die Allergan-Führung bereits zugestimmt hat, bewertet den Botox-Hersteller mit 63 Milliarden US-Dollar (55 Mrd Euro), wie beide Seiten am Dienstag in North Chicago (US-Bundesstaat Illinois) und im irischen Dublin mitteilten.

Je Allergan-Aktie beläuft sich das Gebot auf 188,24 Dollar und liegt damit um 45 Prozent über dem Börsen-Schlusskurs vom Montag. Abbvie will den Preis teilweise in bar und teilweise in eigenen Aktien bezahlen. Der Deal soll Anfang 2020 vollzogen werden - sofern die Allergan-Aktionäre und die Aufsichtsbehörden zustimmen.

Wegen des gesunkenen Aktienkurses bekäme Abbvie den Botox-Hersteller vergleichsweise günstig. Vor wenigen Jahren wollte Branchenführer Pfizer die Iren im bis dahin grössten Deal der Branche für 160 Milliarden Dollar übernehmen. Doch aus dem Kauf, der für die Amerikaner auch ein Steuersparmodell werden sollte, wurde nichts. Pfizer wollte den Hauptsitz nach Dublin verlegen, da die Abgaben dort weitaus niedriger als in den USA waren. Doch dann kam eine neue US-Gesetzgebung dazwischen, die genau solchen Steuerschlupflöchern für US- Unternehmen einen Riegel vorschob. Im April 2016 blies Pfizer den Zukauf ab.

Am Finanzmarkt löste die Nachricht ein Kursfeuerwerk aus. Für die Allergan-Papiere ging es kurz nach Handelsstart in New York um 27 Prozent aufwärts. Auch die Aktienkurse anderer Pharmahersteller zogen dank der Euphorie von Anlegern an. Der Kurs der Abbvie-Aktie knickte hingegen um fast 15 Prozent ein.

Das Zusammengehen könnte langwierige Probleme der beiden Konzerne zumindest vorerst abmildern. Das Geschäft des US-Konzerns AbbVie hängt bislang von seinem Hauptprodukt ab, dem Rheuma-Mittel Humira. Der Kauf von Allergan würde AbbVie ein breiteres Produktsortiment verschaffen - was vor allem wegen des etwa in der Europäischen Union schon ausgelaufenen Patentschutzes für Humira wichtig wäre.

Den Anteilseignern von Allergan, die sich seit vier Jahren mit einem sinkenden Aktienkurs leiden, würde der Deal einen vergleichsweise lukrativen Ausstieg aus ihrer Investition bieten. Auch Allergan ist mit seinem Verkaufsschlager, dem Anti-Falten-Mittel Botox, stark von einem einzigen Produkt abhängig.

Abbvie verspricht sich von dem Deal hohe Synergien, die im dritten Jahr nach dem Zusammenschluss mindestens zwei Milliarden Dollar zum Gewinn vor Steuern beitragen sollen. Zudem würden die Konzerne ihre Position auf dem Markt für kosmetische Arzneimittel ausbauen. Zusammen kämen Abbvie und Allergan im laufenden Jahr den Angaben zufolge auf einen Umsatz von 48 Milliarden Dollar.

Ein Gelingen der Übernahme wäre ein Beleg dafür, dass selbst die grössten Pharmahersteller der Welt noch grösser werden können. Im Januar kündigte der Hersteller Bristol-Myers Squibb die 74 Milliarden Dollar schwere Übernahme des US-Konzerns Celgene an. Und der japanische Takeda-Konzern schluckte den irischen Hersteller Shire./stw/mis/he