Zürich (awp) - Die Schweizer Grosskonzerne haben im vergangenen Jahr vom Börsenboom profitiert und den Deckungsgrad ihrer Pensionsverpflichtungen verbessert. Die Coronakrise droht ihnen allerdings, wieder einen Strich durch die Rechnung zu machen.

Der durchschnittliche Deckungsgrad - also das Verhältnis von Pensionsvermögen zu Pensionsverpflichtungen - der dreissig grössten Unternehmen der Schweizer Börse stieg um 4 Prozentpunkte, wie das Beratungsunternehmen Willis Towers Watson (WTW) in einem am Mittwoch veröffentlichten Bericht bekannt gab. Somit waren die Vorsorgeverpflichtungen wieder zu 85 Prozent durch die entsprechenden Planvermögen gedeckt.

Damit sei das schlechte Anlagejahr 2018 wieder ausgeglichen, schrieb Willis Towers Watson weiter. Damals waren die Börsen getaucht, was den Deckungsgrad auf 81 Prozent gedrückt hatte.

2019 ging es wieder aufwärts an den Finanzmärkten. Die Planvermögen der Pensionskassen der analysierten Unternehmen im Börsenindex SLI kletterten um 8,8 Milliarden Franken oder um 4,8 Prozent. Dagegen nahmen die Vorsorgeverpflichtungen lediglich um 4,6 Milliarden zu. Das ist ein Plus von 2,2 Prozent. Wären die Diskontsätze nicht weiter gesunken, wäre der Deckungsgrad noch positiver ausgefallen als 85 Prozent, erklärte Willis Towers Watson weiter.

Weltweite Vorsorgeverpflichtungen analysiert

Die Studie untersuchte die Deckungssituation der gesamten Vorsorgeverpflichtungen fast aller 30 Konzerne, die im Börsenindex SLI enthalten sind. Es gehe um die weltweiten Verpflichtungen der Unternehmen und nicht nur um diejenigen in der Schweiz und die Pensionskassen, sagte WTW-Experte Christian Heiniger im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AWP.

Das führe zu anderen Deckungsgraden als bei reinen Schweizer Pensionskassen, sagte WTW-Experte Peter Zanella. Ziel der Studie sei die internationale Vergleichbarkeit der Pensionsverpflichtungen der Unternehmen gemäss den Rechnungslegungsstandards IFRS und US-GAAP.

Kassen klingeln

Im vergangenen Jahr klingelten wegen der Börsenhausse die Kassen. Die Pensionsvermögen der untersuchten SLI-Unternehmen warfen einen Ertrag von 18,3 Milliarden Franken ab. Das sei das beste Ergebnis der letzten zehn Jahre, sagte Experte Peter Zanella. Damit wurden die Erwartungen weit übertroffen, die nur mit einem Ertrag von 3,2 Milliarden Franken gerechnet hatten.

Im Jahr 2018 war es umgekehrt gelaufen: Damals hatte man mit einem Ertrag von 3 Milliarden Franken gerechnet - heraus kam ein Minus von 3 Milliarden. Der Schnitt der beiden Jahre 2018 und 2019 sei allerdings tiefer als jener der beiden Vorjahre 2016 und 2017.

Grossbanken an der Spitze

Der höchsten Deckungsgrad nach internationaler Rechnungslegung hat die Credit Suisse Group mit 113,5 Prozent, vor Konkurrentin UBS (110,7 Prozent) und dem Pharmaunternehmen Vifor (108,3 Prozent). Am Schluss der Rangliste liegen Alcon (62,4 Prozent), Swiss Life (52,1 Prozent) und Kühne+Nagel (32,3 Prozent).

Allerdings hat die Swiss Life aufgrund der Vorgaben von IFRS die Pensionsvermögen von Versicherungskontrakten nicht aktiviert. Diese Vermögensteile erscheinen jedoch an anderer Stelle im konsolidierten Jahresbericht, wie Willis Towers Watson schreibt: In Wirklichkeit dürfte die Swiss Life einen Deckungsgrad haben, der irgendwo in der Grössenordnung der Versicherer Zürich (92,3 Prozent) und Swiss Re (100,4 Prozent) liegen dürfte, schätzte Zanella.

Kühne+Nagel sehe als Schlusslicht auch schlecht aus, weil die Firma sehr viele Pensionsverpflichtungen mit Direktzusagen in Deutschland habe. Dort bilden Firmen Rückstellungen für die Vorsorgeansprüche der Mitarbeiter, weisen dafür aber kein Kapital gesondert aus. Dies hat den Nachteil, dass im Falle eines Konkurses die Vorsorgeansprüche verloren gehen können, wie Zanella erklärte.

Schweizer Konzerne holen auf

Im internationalen Vergleich weisen die Schweizer Grosskonzerne einen leicht unterdurchschnittlichen Deckungsgrad auf, konnten aber 2019 aufholen. Der durchschnittliche Deckungsgrad in US-Unternehmen, zusammengefasst im Willis Towers Watson Pension 100 Index, ist um 2 Prozentpunkte auf 88 Prozent leicht gestiegen. Dagegen haben sich die Schweizer Unternehmen doppelt so stark verbessert.

Insgesamt stünden die Schweizer Firmen nicht schlechter da als ihre US-Konkurrenten, sagte Zanella. Denn die Diskontsätze dürften in den USA noch weiter fallen.

Allerdings hat die Coronapandemie im ersten Quartal dieses Jahres für einen Börsencrash im März gesorgt, der die Fortschritte von 2019 zunichtemachte. Auch wenn die Kurse seither wieder steigen, liegt der Schweizer Börsenindex SLI immer noch um 6,5 Prozent unter dem Schlussstand von 2019. Die guten Anlageergebnisse von 2019 sollten die Firmen nicht unvorsichtig werden lassen, hiess es.

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