BERLIN (dpa-AFX) - Für den Online-Modehändler Zalando zahlt sich die Corona-Krise nach anfänglichen Schwierigkeiten aus. Nachdem in den ersten Wochen der harten Alltagsbeschränkungen kaum jemand an den Kauf von Bekleidung oder Accessoires gedacht hatte, zog das Geschäft zuletzt deutlich an, was sich auch im Aktienkurs widerspiegelt. Was beim Unternehmen los ist, was Analysten sagen und was die Aktie macht.

LAGE BEI ZALANDO:

Wegen der guten Geschäfte ab April und der starken Kundengewinnung traut sich das Unternehmen im laufenden Jahr trotz der Corona-Pandemie ein deutliches Umsatzplus zu. Zalando-Chef Rubin Ritter nannte sogar ein konkretes Ziel, was in diesen Zeiten ungewöhnlich ist und den Markt überzeugte. So sollen die Erlöse in diesem Jahr um 10 bis 20 Prozent im Vergleich zum 2019er Wert von 6,5 Milliarden Euro zulegen.

Der um Sondereffekte bereinigte Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) soll zwischen 100 bis 200 (2019: 225) Millionen Euro herauskommen. Damit liegen die neuen Vorgaben zwar unter den ursprünglich im Februar ausgerufenen und dann wegen der Corona-Krise zurückgezogenen Ziele, aber deutlich über dem, was Experten erwartet hatten.

Im ersten Quartal legte der Umsatz um knapp elf Prozent auf 1,5 Milliarden Euro zu. Wegen der Folgen der Corona-Krise wie der geringeren Nachfrage im März sowie Sonderabschreibungen auf den Warenbestand in Höhe von 40 Millionen Euro fiel jedoch in den ersten drei Monaten des Jahres ein Verlust vor Zinsen und Steuern von 98 Millionen Euro an. Im ersten Quartal 2019 hatte Zalando operativ noch rund sechs Millionen Euro verdient.

Unternehmenslenker Ritter und Finanzchef David Schröder äußerten sich Anfang Mai bei der Bekanntgabe der Prognose zuversichtlich, die Krise überstanden zu haben. "Als Unternehmen haben wir schnell Antworten auf die Herausforderungen im März gefunden und wir sehen eine deutlich positivere Entwicklung in den ersten Wochen des zweiten Quartals", sagte Schröder.

Zalando setzt dabei auf einen beschleunigten Wandel von stationärem zu Online-Handel: Die Zahl aktiver Kunden habe im ersten Quartal um rund 17 Prozent auf knapp 32 Millionen zugenommen. Viele neue Unternehmen hätten sich zudem dem Partnerprogramm angeschlossen, in dessen Rahmen die Marken ihre Produkte selbst auf der Zalando-Plattform vermarkten können.

Der Konzern hatte in der Krise ein Sparpaket von 350 Millionen Euro angekündigt, das unter anderem durch Gehaltsverzicht des Vorstands sowie der unteren Managementebene zustande kommen sollte. Auch die Investitionen sollen sinken.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Zalando ist für die Aktionäre seit dem Börsengang im Oktober 2014 ein Glücksfall - zumindest, wenn sie auch starke Nerven haben und den ein oder anderen Rückschlag verkraften konnten. Wer die Papiere aber zu 21,50 Euro das Stück gezeichnet und dann behalten hat, kann sich über ein Kursplus von rund 175 Prozent freuen.

Auch der kurzzeitige Corona-Schock, der das Papier im März zeitweise bis unter die Marke von 30 Euro gedrückt hatte, ist längst überwunden. Positiv aufgenommene Zahlen zum ersten Quartal Mitte April und vor allem der optimistische Ausblick auf das Geschäftsjahr Anfang Mai brachten den Stimmungsumschwung.

Mit knapp 60 Euro war das Papier am Dienstag so teuer wie noch nie. Der Kursgewinn seit dem Corona-Tief beläuft sich auf damit auf mehr als 100 Prozent. Mit einem Börsenwert von rund 15 Milliarden Euro gehört das Unternehmen damit zur Top Ten im MDax, in den Zalando im Sommer 2015 wenige Monate nach dem Börsengang aufgestiegen ist.

Und auch im deutschen Leitindex Dax würde das 2008 gegründete Unternehmen derzeit sechs Werte (Deutsche Bank, Wirecard, HeidelbergCement, MTU, Covestro, Lufthansa) hinter sich lassen.

Da aber einige Großaktionäre wie der schwedische Finanzinvestor Kinnevik an Zalando beteiligt sind, ist der Marktwert der frei handelbaren Aktien zu gering, um in den Dax aufgenommen zu werden. Kinnevik hatte bereits früh in Zalando investiert und dem Unternehmen, anders als zum Beispiel Rocket Internet, die Treue gehalten und ist jetzt mit einem Paket von 25 Prozent der größte Anteilseigner.

Der Berliner Start-up-Brutkasten um die Samwer-Brüder, die zu den bekanntesten deutschen Internet-Investoren zählen, hatte sich in den Jahren nach dem Börsengang nach und nach von seinen Anteilen getrennt.

DAS SAGEN ANALYSTEN:

Nach der jüngsten Rally sehen die Analysten derzeit erst einmal kein weiteres Potenzial nach oben, auch wenn einige Häuser ihre Kursziele nach der Bekanntgabe der Prognose für 2020 angehoben haben. Aber selbst die größten Optimisten trauen dem Papier erst einmal keine weiteren Kurssprünge mehr zu. Im Schnitt liegt das Kursziel der 18 im dpa-AFX Analyser erfassten Experten bei etwas unter 50 Euro.

Das höchste Kursziel kommt mit 65 Euro derzeit aus dem Haus der Baader Bank, gefolgt von Bernstein und RBC Capital, die ihre Ziele zuletzt auf jeweils 62 Euro festsetzten. Baader-Bank-Analyst Volker Bosse bekräftigte nach der 2020er-Prognose seine Kaufempfehlung und erhöhte das Kursziel mit Verweis auf bessere Schätzungen für das Gesamtjahr um 15 Euro auf 65 Euro. Zalando sei ein Gewinner der Corona-Krise, so sein Urteil.

Nicht überzeugt von Zalando sind derzeit vor allem die Berenberg Bank, Morgan Stanley und die UBS. So erhöhte Michelle Wilson von der Berenberg Bank ihr Kursziel nach den Zahlen und der Prognose zwar von 21 auf 25 Euro, liegt damit aber immer noch deutlich unter dem aktuellen Niveau - dementsprechend bekräftigte sie auch ihre "Sell"-Einstufung.

Sie sieht vor allem Probleme bei der Profitabilität und ist mit Blick auf die hohen Lagerbestände der Branche infolge der Corona-Krise insgesamt skeptischer als der Markt derzeit. Bei Morgan Stanley und der UBS liegen die Kursziele bei 32 beziehungsweise 32,50 Euro. Hier halten die Experten die jüngste Euphorie für überzogen.

UBS-Analystin Olivia Townsend sieht in den hochgeschraubten Erwartungen Gefahren, da es viel Unbekanntes gebe. DZ-Bank-Experte Thomas Maul liegt mit seiner "Halten"-Empfehlung und einem fairen Wert von 49 Euro in der Mitte der extremen Positionen. Das Geschäftsmodell sei robuster als bislang angenommen, schrieb er in einer Studie Anfang Mai.

Es zeichne sich ab, dass die Corona-Krise dem Konzern zu neuen Kundengruppen und einem schnelleren Ausbau des Plattformgeschäfts verhelfe. Er erhöhte seine Gewinnschätzungen und reduzierte die in seinem Modell berücksichtigte Risikokomponente./zb/eas/he