PARIS/LONDON/MAILAND (awp international) - Die Anleger an den europäischen Börsen bleiben vorsichtig optimistisch. Der EuroStoxx 50 knüpfte am Dienstag mit einem Aufschlag von 1,8 Prozent auf 2815,65 Punkte an seine jüngste Erholung an. Seit dem Tief von Mitte März bei gut 2300 Punkten hat er bislang schon wieder mehr als 20 Prozent an Terrain zurückerobert. Geprägt vom Crash würde er den März aber dennoch mit einem deftigen 15-prozentigen Abschlag beenden.

Laut Volkswirt Holger Schmieding von der Berenberg Bank zeichnen sich in der Viruskrise zwei positive Trends ab: Erstens scheinen die strengen Eindämmungsmassnahmen, die grosse Teile Europas eingeführt haben, zu wirken. In Italien war der Anstieg der positiv getesteten Menschen so niedrig wie seit Beginn der landesweiten Ausgangssperren vor drei Wochen nicht. Zweitens gibt es dem Experten zufolge vorläufige Anzeichen für eine Erholung der Wirtschaftstätigkeit in China, das der Ausbreitung in Europa um einige Wochen voraus ist. Stimmungsdaten aus der Wirtschaft waren dort im März über die Wachstumsgrenze gestiegen.

Der französische Cac 40 stieg um 1,3 Prozent auf 4436,64 Punkte, während der Londoner FTSE 100 um 1,9 Prozent auf 5668,92 Zähler vorrückte. Auch in den Virus-Krisenherden Spanien und Italien ging es bergauf: Während in Spanien eine verschärfte Ausgangssperre in Kraft trat, erholte sich der Ibex im Madrid um 1,6 Prozent von seinem Vortagsminus. Der FTSE MIB in Italien stieg sogar um 1,8 Prozent.

Die Erholung wurde vorangetrieben von einigen Werten, die zuletzt besonders stark unter der Viruskrise gelitten hatten. Fluggesellschaften setzten zu einem Erholungsversuch an und die Papiere von Airbus zum Beispiel rückten im EuroStoxx um 3,5 Prozent vor. Barclays-Expertin Milene Kerner und ihre US-Kollegen sehen den europäischen Flugzeugbauer für die Zeit nach der Corona-Krise im Vergleich zum Widersacher Boeing als besser positioniert an.

Am Ölmarkt stiegen derweil nach den China-Daten die Ölpreise, was das Bild für die Sektorwerte etwas aufhellte. Für die Shell -Aktien es um etwa 6 Prozent nach oben. Der Öl- und Gasmulti stärkt seine Liquidität mit einem neuen Milliardenkredit. Die Barclays Bank sieht in Aussagen des Konzerns zum ersten Quartal leicht positive Aspekte angesichts der zuletzt spürbaren Sorgen.

In Paris und London waren die zuletzt schwer von der Viruskrise getroffenen Werbe- und Medienkonzerne gefragt. Vivendi und Publicis rückten an der Cac-Spitze um etwa 10 Prozent vor und WPP gewannen in London 8,5 Prozent. WPP hatte am Dienstag die Dividendenauszahlung abgesagt, Aktienrückkäufe ausgesetzt und die Jahresziele zurück genommen. Analystin Lisa Yang von Goldman Sachs begrüsste die Schritte zur Erhaltung der Liquidität.

Auf den Rängen im Pariser Cac 40 folgte unter anderem ArcelorMittal mit einem Anstieg um 6,5 Prozent. Der Stahlkonzern stemmt sich mit weiteren Massnahmen zur Kostensenkung gegen die Virus-Krise. Er sieht sich aber angesichts rekordtiefer Schulden und einer guten Bilanzstruktur mit einer guten finanziellen Basis ausgestattet für alle Marktbedingungen.

In London fielen ansonsten noch die Aktien von Imperial Brands positiv auf mit einem Kurssprung um 13 Prozent. Experten sahen in einem Zwischenbericht und einer Umschuldung positive Entwicklungen. Laut Gaurav Jain von der Barclays Bank scheint das Coronavirus im ersten Halbjahr keine bedeutende Auswirkungen auf die Geschäfte des Tabakkonzerns zu haben.

Eine negative Ausnahme waren die in Paris notierten L'Oreal -Aktien mit einem Minus von 2,2 Prozent. Da ein Ende der gesundheitlichen Notlage derzeit zeitlich nicht abschätzbar sei, hat der Kosmetikkonzern seinen Ausblick zurückgezogen. Der Virus hinterlasse tiefere Spuren im Geschäft der kommenden Monate als zunächst angenommen, hiess es./tih/mis