Zürich (awp) - Bei den Pharmakonzernen sind Sicherheitsbedenken in etwa gleichbedeutend wie Rückrufaktionen bei Autoherstellern - sie kommen nicht gut an. Bei Novartis geht es um das erst kürzlich zugelassene Augenmittel Beovu, dem der Konzern selbst Blockbusterpotenzial zutraut. Neben den Investoren reagieren auch Analysten zunächst sehr zurückhaltend und verschreckt.

Novartis-Aktien fallen am Dienstag gegen 10.30 Uhr um 2,6 Prozent auf 88,92 Franken zurück. Bereits am Montag hatten die Papiere im Zuge des Börsenausverkaufs mehr als 3 Prozent eingebüsst. Der Leitindex SMI verliert ein halbes Prozent.

Im vergangenen Oktober hatte Novartis die US-Zulassung für das Mittel zur Behandlung der Augenkrankheit feuchte AMD erhalten. Vor gut einer Woche folgte dann die europäische Kommission und erteilte dem Mittel grünes Licht. AMD ist eine Erkrankung eines zentralen Teils der Netzhaut im hinteren Augenbereich. Sie führt zu einem Verlust des Sehvermögens.

Analysten und auch Novartis selbst haben dem Mittel bislang Blockbuster-Potenzial zugetraut. Diese Spitzenumsätze dürften nun erst später erreicht werden, fasst es etwa der Vontobel-Analyst Stefan Schneider zusammen. Der Grund dafür sind Sicherheitsbedenken, die über das Wochenende vom US-Branchenverband American Society of Retina Specialists (ASRS) auf der Internetseite veröffentlicht wurden.

Dort wird der Einsatz des Mittels mit Nebenwirkungen in Verbindung gebracht. Bei mehreren Patienten habe Beovu zu schweren Entzündungen der Augen-Blutgefässe geführt, heisst es etwa.

"Diese Nachrichten kommen zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt," lautet der Tenor der meisten Analysten. Dabei zielen Analysten wie Schneider von Vontobel oder Laura Sutcliffe von der UBS darauf ab, dass Beovu ja erst kürzlich in den USA lanciert wurde. Derlei Nachrichten dürften Ärzte dann erst einmal davon abhalten, ein solches Mittel im grossen Stil zu verschreiben. Dabei hatte Novartis selbst im Januar bei der Vorlage der Jahreszahlen noch von einem sehr guten Start des Mittels gesprochen.

Eric Le Berrigaud von Bryan Garnier mahnt derweil zu Besonnenheit. Unter dem Strich dürfte es bei 0,1 Prozent der Beovu-Behandelten zu einer Entzündung gekommen sein. "Ob sich Beovu darin wirklich stark von den bereits auf dem Markt befindlichen Mitteln unterscheidet, wage ich zu bezweifeln," so der Experte. Er gehe davon aus, dass die Nachrichten dem Novartis-Kurs mehr schaden dürften als dem Mittel selbst.

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