PEKING (dpa-AFX) - Mit dem Anstieg erfasster Coronavirus-Infektionen auf mehr als 70 000 plant China nun sogar eine Verschiebung der Jahrestagung seines Parlaments. Es ist das erste Mal in der jüngeren Geschichte der Volksrepublik, dass die Sitzung des nationalen Volkskongresses verlegt wird. Das wichtigste politische Ritual des Jahres hätte am 5. März in Peking beginnen sollen. Die Deutsche Bundesbank sieht wegen der Covid-19-Epidemie inzwischen Risiken für die deutsche Konjunktur. Unterdessen reisten Passagiere der Kreuzfahrtschiffe "Diamond Princess" und "Westerdam" zurück in ihre Heimat.

Der Führungskreis des Ständigen Ausschusses halte die Verschiebung des Volkskongresses auf einen angemessenen Zeitpunkt für "notwendig", berichtete die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua am Montag. Formell soll der Ausschuss am nächsten Montag darüber entscheiden. Rund 6000 Abgeordnete des Volkskongresses und Mitglieder der parallel tagenden beratenden Konsultativkonferenz hätten aus allen Provinzen in die Hauptstadt kommen müssen. Die ungewöhnliche Verschiebung wurde auch damit begründet, dass viele der Abgeordneten "an vorderster Front" gegen die Covid-19-Epidemie kämpften.

Innerhalb eines Tages war zuvor die Zahl erfasster Ansteckungen mit dem neuen Coronavirus Sars-CoV-2 im Land um mehr als 2000 auf über 70 500 gestiegen. Mehr als 100 weitere Todesfälle wurden gemeldet. Damit starben bis Montag in China rund 1770 Menschen an der Covid-19 genannten Lungenkrankheit. Experten gehen von einer hohen Dunkelziffer bei den Fallzahlen aus. Besonders schwer ist in Zentralchina die 60 Millionen Einwohner zählende Provinz Hubei mit der Metropole Wuhan betroffen.

Nach dem Nachweis einer Infektion unter den Passagieren des Kreuzfahrtschiffs "Westerdam", die zum Teil nach der Ankunft in Kambodscha schon an Land gegangen waren, sind nach Angaben der Reederei bislang keine Symptome der Covid-19 genannten Lungenkrankheit aufgetreten. Allerdings gibt es eine Inkubationszeit von bis zu 14 Tagen, bis sich Symptome zeigen, und Infizierte können dann auch schon ansteckend sein. Eine 83-jährige Amerikanerin war bei der Weiterreise in Malaysia positiv getestet und ins Krankenhaus gebracht worden.

Unter den Reisenden waren laut Reederei auch 57 Deutsche. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur sind einige noch an Bord der "Westerdam", während andere bereits die Heimreise angetreten haben. Die Gäste, die bereits nach Hause gereist seien, würden von ihren örtlichen Gesundheitsbehörden kontaktiert, teilte die Holland America Line mit.

Nach der Verbreitung des Virus auf dem seit zwei Wochen im Hafen von Yokohama unter Quarantäne stehenden Kreuzfahrtschiff holten die USA Hunderte Landsleute mit zwei gecharterten Flugzeugen von Bord der "Diamond Princess" aus Japan ab. Beide landeten am Montag in den USA. Die Betroffenen sollen 14 Tage auf US-Militärstützpunkten in Kalifornien und Texas in Quarantäne. Auch Kanada, Hongkong und Israel haben nach Medienberichten vor, ihre Landsleute von Bord des Schiffes heimzuholen.

Die Zahl der Infizierten an Bord der "Diamond Princess" stieg nach offiziellen Angaben bis Montag erneut um weitere 99 auf 454, etwa 20 von ihnen zeigen schwere Symptome. Die Ergebnisse Hunderter weiterer Tests standen noch aus. Von den rund 400 US-Passagieren waren zunächst 44 positiv getestet. Alle Infizierten wurden in örtliche Krankenhäuser gebracht. Am Montag befanden sich noch rund 3000 Menschen auf dem Kreuzfahrtschiff. An Bord sind auch zehn Bundesbürger. Bei zwei von ihnen wurde eine Infektion nachgewiesen, auch sie sind in einer Klinik. Bei den anderen Deutschen wurde nach Angaben des Auswärtigen Amts zunächst keine Infektion nachgewiesen.

Mit der Lage der Deutschen auf der "Diamond Princess" und der "Westerdam" befasste sich am Montag auch der Krisenstab der Bundesregierung. Dabei ging es darum, dass alle Betroffenen, die es wünschen, nach Deutschland zurückkehren können - und ob dafür Unterstützung der Bundesregierung nötig sei. Dazu stehe man auch in Kontakt mit EU-Partnern, die Bürger vor Ort haben, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amts. Für mögliche Rückkehrer gibt es laut Bundesgesundheitsministerium Überlegungen für eine Quarantäne im häuslichen Umfeld - und keine zentrale Unterbringung wie bei den Deutschen, die aus China zurückgeholt wurden.

Die Deutsche Bundesbank sieht inzwischen Risiken für die deutsche Konjunktur durch Covid-19. "So dürfte dort ein vorübergehender Rückgang der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage die deutsche Exportaktivität dämpfen", schrieben die Experten im am Montag veröffentlichten Monatsbericht. China ist ein wichtiger Markt für Waren "Made in Germany". Zugleich stellt das land zahlreiche Produkte her, auch für die Weiterverarbeitung in anderen Ländern. Durch die Sicherheitsvorkehrungen wegen des Virus Sars-CoV-2 könnten einige globale Wertschöpfungsketten beeinträchtigt werden, hieß es im Monatsbericht. "Lieferengpässe in einzelnen Branchen hierzulande wären die Folge."

Empfindlich schaden könnte die Covid-19-Epidemie nach Einschätzung von Experten der globalen Autoindustrie. Allein in der besonders betroffenen Provinz Hubei würden an gut einem Dutzend Standorten fast zwei Millionen Autos pro Jahr gefertigt, heißt es in einer Studie der Beratungsgesellschaft BCG. Das seien etwa acht Prozent der Fahrzeugproduktion Chinas. Und nicht nur in Hubei seien über Tage Anlagen heruntergefahren geworden. Gerade für deutsche Autobauer ist China als Absatzmarkt und Fertigungsstandort sehr wichtig. VW unterbrach wegen der Lungenkrankheit dort bereits die Produktion und muss nun die Wiederaufnahme teils verschieben, erklärte der Konzern am Montag./lw/DP/jha