Die Volkswagen-Tochter Traton, zu der bereits die Nutzfahrzeugbauer MAN und Scania sowie 16,8 Prozent an Navistar gehören, bietet 2,9 Milliarden Dollar für die restlichen Anteile. Mit der Übernahme des US-Partners wollen die Deutschen einen der wichtigsten Nutzfahrzeugmärkte erobern, wie Volkswagen und Traton in der Nacht zum Freitag mitteilten. Bisher stützt sich Traton vor allem auf Europa und Südamerika, während in den USA die Rivalen Daimler und Volvo stark sind.

Ob Traton mit seinem Angebot von 35 Dollar je Navistar-Aktie die übrigen Anteilseigner überzeugen kann, steht allerdings in den Sternen. Am Markt wird auf einen höheren Preis spekuliert: Die Navistar-Aktie schoss in New York nachbörslich um 50 Prozent in die Höhe und wurde bei mehr als 36 Dollar gehandelt. Die übrigen Hauptaktionäre neben Traton sind Hedgefonds, die traditionell versuchen, bei Übernahmen einen höheren Preis herauszuschlagen. Der Milliardär Carl Icahn, der Investor Mark Rachesky mit seiner Gesellschaft MHR und der Fonds Gabelli kommen zusammen auf weitere 40 Prozent.

Es sei nicht auszuschließen, dass Traton das Angebot nachbessere oder dass sogar ein anderer Interessent ein Gegenangebot verkünde, erklärte Branchenexperte Frank Schwope von der NordLB. Bereits zum jetzt gebotenen Kaufpreis sei Navistar kein Schnäppchen. Das Angebot von Traton liegt 45 Prozent über dem Schlusskurs des Vortages und nach Unternehmensangaben 19 Prozent über dem Durchschnittskurs der vergangenen drei Monate. An der Frankfurter Börse gaben Traton um 1,3 Prozent und Volkswagen um 0,7 Prozent nach.

Zunächst einmal muss sich nun das Navistar-Management zu dem Ansinnen äußern. Der Verwaltungsrat sprach in einer ersten Stellungnahme von einem "unaufgeforderten Angebot", das sorgfältig daraufhin geprüft werden müsste, ob es zur eigenen Strategie passe. In dem Gremium sind neben Traton auch die übrigen Haupteigner vertreten. Traton und Volkswagen betonten vorsichtshalber, man werde einen Verkauf des US-Unternehmens an einen Dritten nicht gutheißen. Ein Insider aus der deutschen Unternehmensgruppe sagte, Traton und die Navistar-Führung arbeiteten seit Jahren eng zusammen. Traton äußerte sich nicht zur Frage nach Gesprächen mit den anderen Navistar-Aktionären.

Falls keine Hürden auftreten und nach einer Einigung mit Management und Aktionären auch die Kartellbehörden zustimmen, erwartet Traton einen Abschluss der Transaktion bis zum Jahresende. Es wäre die erste große Übernahme, seit Volkswagen im vergangen Jahr einen Minderheitsanteil des Nutzfahrzeugbauers an die Börse gebracht hatte. Der Autokonzern sortiert sich gerade neu, um nach dem Abgasskandal die Umstellung auf Elektroantrieb zu bewältigen. Auch die Lastwagen- und Busbranche steht vor den gleichen Herausforderungen, während das zyklische Geschäft gerade in die Flaute segelt. Im Zuge des Konzernumbaus hatte Volkswagen einen Ausstieg aus Randgeschäften angekündigt: Zeitgleich mit dem Traton-Angebot verkündete Volkswagen den Verkauf seiner Großgetriebe-Tochter Renk an den Finanzinvestor Triton.

Volkswagen war vor mehr als drei Jahren bei Navistar für 256 Millionen Dollar eingestiegen. Damals mussten die Wolfsburger nur 15,76 Dollar für jede Aktie des angeschlagenen Unternehmens zahlen. Schnell kamen aber Spekulationen über eine Aufstockung der Beteiligung auf, die vom Börsengang der ausgegliederten Nutzfahrzeug-Sparte Traton noch befeuert wurden. Vorstandschef Andreas Renschler und Volkswagen-Aufsichtsratschef Hans-Dieter Pötsch hatten die Erwartungen aber gedämpft. "Die Dinge müssen reifen", sagte Pötsch beim Börsendebüt von Traton.

Navistar und die Traton-Marken MAN und Scania arbeiten seit 2017 zusammen, nun will Vorstandschef Renschler jedoch nicht länger warten. "Die Transaktion würde einen Marktführer im Bereich Nutzfahrzeuge mit globaler Reichweite und einem starken Portfolio führender Marken und innovativer Produkte, Technologien und Dienstleistungen schaffen", sagte Renschler.