BERLIN (dpa-AFX) - Die Ausbaukrise bei der Windkraft an Land hat sich im vergangenen Jahr verschärft. 2019 kamen nur noch 1078 Megawatt oder 325 neue Anlagen dazu, wie aus Zahlen des Bundesverbands Windenergie (BWE) und VDMA Power Systems hervorgeht. Dies sei der niedrigste Zuwachs seit Einführung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) im Jahr 2000. BWE-Präsident Hermann Albers sprach am Dienstag in Berlin von einem "dramatischen Einbruch" und sieht weitere Jobs in Gefahr.

Die Branchenverbände forderten die Politik zum Handeln auf. Wenn der Strombedarf wachse, sei ein Zubau von rund 5000 Megawatt pro Jahr erforderlich, um das Ziel eines Anteils von 65 Prozent der erneubaren Energien am Stromverbrauch bis 2030 zu erreichen. Ein bereits vorgelegter Maßnahmenkatalog müsse nun umgesetzt werden. So müssten lange Genehmigungsverfahren verringert werden. Außerdem müsse die Akzeptanz für Windräder vor Ort gesteigert werden, etwa durch eine finanzielle Beteiligung von Kommunen.

Die schwarz-rote Koalition arbeitet derzeit an einem Konzept, wie der Ausbau vor allem der Windkraft wieder beschleunigt werden kann. In den kommenden Jahren dürfte der Strombedarf steigen, zudem steigt Deutschland aus der Atomkraft und nach und nach auch aus der Kohle aus. Wie die Akzeptanz von Anwohnern erhöht werden soll, ist in der Koalition seit Monaten umstritten. Es soll ein bundesweiter Mindestabstand von 1000 Metern zwischen Windrädern und Wohnhäusern eingeführt werden - die Details sind aber offen.

Ein neuer Vorschlag dazu aus der Union wurde in der Branche als konstruktiver Schritt bewertet. Er sieht vor, dass 1000 Meter Abstand künftig zu Wohnhäusern eingehalten werden muss, die in einem Gebiet mit Bebauungsplänen gebaut wurden oder gebaut werden können.

SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch schlug vor, einen Pakt zwischen Bund und allen Ländern zu schließen. Es brauche Akzeptanz und Planungssicherheit über mehrere Legislaturperioden hinweg, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Auch die Kommunen müssten eingebunden werden. Mierschs Vorschlag würde bedeuten, dass auch die Grünen bei der Planung des Ökostrom-Ausbaus mit an Bord geholt werden. Im Dezember hatten sie einen Kompromiss zum Klimapaket mit ausgehandelt, das sie zuvor in Teilen im Bundesrat gestoppt hatten. Der stockende Ausbau der Windenergie müsse "allen ein Auftrag sein", sagte Miersch.

Im Vergleich zum Vorjahr ging der Zubau von Windrädern im Jahr 2019 um 55 Prozent zurück. Spitzenreiter war Brandenburg mit 73 neuen Anlagen, gefolgt von Niedersachsen (51) und Nordrhein-Westfalen (45). Im flächenmäßig größten Bundesland Bayern waren es nur sechs neue Anlagen. Weil auch Anlagen abgebaut wurden, lag der sogenannte Nettozubau insgesamt bei 243 Anlagen. Der Bestand von Windkraftanlagen stieg um zwei Prozent auf rund 29 500.

"Die Windindustrie musste bereits mit drastischen Beschäftigungsrückgängen auf die abnehmende Produktion für den Heimatmarkt reagieren", sagte der Geschäftsführer von VDMA Power Systems, Matthias Zelinger. "Sollte der Markt auf diesem Niveau stagnieren, drohen allein durch den Wegfall der Nachfrage aus Deutschland weitere 25 Prozent der Beschäftigten wegzubrechen." Albers sagte, in den vergangenen drei Jahren sei es in der Branche zu 40 000 Entlassungen gekommen.

Der schwache Ausbau 2019 war erwartet worden, wie auch aus vorläufigen Zahlen der Fachagentur Windenergie von vor zwei Wochen hervorgegangen war. Hauptgründe sind lange Genehmigungsverfahren, zu wenig ausgewiesene Flächen und viele Klagen. Vor Ort haben sich viele Bürgerinitiativen gegen den Bau von Windrädern gebildet. Für das Jahr 2020 erwarten die Verbände einen Zubau von 1400 bis 1800 Megawatt./ted/DP/jha