Wegen des großen Drucks auf die im Umbruch stehende größte deutsche Industrie will die Gewerkschaft vor allem über die Sicherung von Arbeitsplätzen verhandeln und möglichst rasch zu einem Abschluss kommen. Es gehe um die Zukunft des Industriestandorts Deutschland und vor allem um die Zukunft Zehntausender Beschäftigter, sagte IG-Metall-Chef Jörg Hofmann bei der Jahrespressekonferenz am Freitag in Frankfurt "Die Uhr tickt." Er schlage den Arbeitgebern deshalb ein "Moratorium für einen fairen Wandel" vor. Neben tariflichen Regeln zur Sicherung von Jobs - etwa in der Autoindustrie - soll für die rund vier Millionen Beschäftigten der Metall- und Elektroindustrie aber dennoch eine Lohnerhöhung über der Inflationsrate herausspringen, forderte die größte deutsche Gewerkschaft.

"Wir würden ohne bezifferte Forderung in die Tarifgespräche gehen, wenn die Arbeitgeber sich auf das Moratorium einlassen", sagte Hofmann. Er erwarte eine Antwort der Arbeitgeberverbände vor der nächsten Vorstandssitzung der IG Metall am 3. Februar. Die IG Metall schlage den Arbeitgebern ein "Zukunftspaket" vor. Demnach sollen diese auf Personalabbau ohne eine Abstimmung mit dem Sozialpartner sowie auf das Verlagern von zukunftsträchtigen Produkten ins Ausland und die Schließung von Standorten verzichten. Betriebsbedingte Kündigungen müssten ausgeschlossen werden. Im Gegenzug sei die IG Metall neben dem Verzicht auf eine prozentuale Forderung bereit, sofort in Verhandlungen einzusteigen mit dem Ziel eines Ergebnisses vor Ende April. IG Metall und Arbeitgeber strebten außerdem beide eine kurze Vertragslaufzeit an, ergänzte Hofmann.

Arbeitgeberverbände reagierten positiv auf das Ansinnen. "Wir begrüßen, dass die IG Metall den Ernst der Lage anerkennt", erklärte der Arbeitgeberverband Gesamtmetall. Der Verband teile die Sichtweise, dass eine Reaktion auf den Strukturwandel und die Frage nach dem Beitrag der Arbeitgeberseite im Mittelpunkt der Tarifrunde stehen solle. Der Präsident des Arbeitgeberverbands Metall NRW, Arndt Kirchhoff, erklärte, Hofmanns Vorschlag berge nach den Erfahrungen aus den Jahren 2009/2010 eine Chance für Unternehmen und Beschäftigte. Die IG Metall hatte zuletzt in der Finanz- und Wirtschaftskrise 2010 auf eine bezifferte Tarifforderung verzichtet.Zugleich zeigte sich die Gewerkschaft kämpferisch. "Keine politische Aktion und kein Streik wird an den Finanzen scheitern", sagte Hauptkassierer Jürgen Kerner. Trotz leicht rückläufiger Mitgliederzahl seien die Beitragseinnahmen im vergangenen Jahr um 13 Millionen Euro auf 598 Millionen Euro gestiegen. Ende 2019 zählte die Gewerkschaft 2,26 Millionen Mitglieder, 8000 weniger als ein Jahr zuvor. Das sei auch eine Folge der Abmeldung Zehntausender Leiharbeiter in der Autoindustrie, sagte Hofmann.

Die Wende zu klimaschonenden Autos, die Energiewende und die Digitalisierung setzen die größte deutsche Industrie mit ihren gut vier Millionen Beschäftigten unter Druck. Der Umbruch kostet Milliarden und gefährdet Zigtausende Arbeitsplätze, während zugleich der globale Konjunkturabschwung in den letzten beiden Jahren die stark exportabhängige Branche schwächte. Viele Firmen stellen nach fast zehn Jahren Boom auf Sparen um, bauen Arbeitsplätze ab oder führen Kurzarbeit ein. So streichen Daimler, Audi_ und der Zulieferer Continental im großen Umfang Stellen.

Die Laufzeit der geltenden Tarifverträge endet am 31. März. Warnstreiks sind nach dem Ende der Friedenspflicht ab 29. April möglich.