PARIS/LONDON (awp international) - An Europas Börsen herrscht kurz vor der Brexit-entscheidenden Unterhauswahl in Grossbritannien leichte Zuversicht. Mit der Aussicht auf eine robuste Verfassung der US-Wirtschaft im kommenden Jahr zog der europäische Leitindex Eurostoxx 50 gegen Mittag geringfügig um 0,22 Prozent auf 3695,73 Punkte an. In Frankreich legte der Cac 40 im gleichen Masse zu, in Grobritannien verzeichnete der FTSE 100 einen Zuwachs von 0,59 Prozent.

Am Mittwoch hatte die US-Notenbank Fed den Leitzins wie erwartet nicht verändert und eine anhaltende Zinspause signalisiert. Am Donnerstag folgt nun auch die erste Sitzung der EZB unter der neuen Chefin Christine Lagarde. Hierbei wird aber ebenfalls nicht mit grossen Veränderungen gerechnet.

"Die Märkte haben sich in Europa von der Haltung der Fed zur US-Wirtschaft inspirieren lassen", schrieb CMC-Marktexperte Michael Hewson. "So kurz vor der EZB-Sitzung und der Wahl in Grossbritannien ist der Handel allerdings immer noch recht dünn."

Die Briten wählen an diesem Donnerstag neue Abgeordnete und bestimmen damit indirekt auch, wie es mit dem geplanten EU-Austritt weitergehen soll. Umfragen zufolge dürfte die Konservative Partei von Premierminister Boris Johnson eine absolute Mehrheit der Sitze im Unterhaus gewinnen. Der Regierungschef braucht eine stabile Mehrheit, um sein Brexit-Abkommen durchs Parlament zu bringen. Er will dann das Land am 31. Januar aus der EU führen.

Die oppositionelle Labour-Partei hat in den vergangenen Tagen allerdings aufgeholt. Es ist nicht ausgeschlossen, dass es zu einem "hung parliament" kommt, einer Sitzverteilung, die keiner der beiden grossen Parteien eine Regierungsbildung mit eigener Mehrheit ermöglicht. Dann wäre sogar eine Minderheitsregierung mit Labour-Chef Jeremy Corbyn als Premierminister denkbar. Corbyn will den Brexit noch einmal verschieben, um einen eigenen Austritts-Deal auszuhandeln, über den die Briten in einem zweiten Referendum abstimmen sollen. Die Alternative dazu wäre eine Verbleib in der Staatengemeinschaft.

In der Sektorbetrachtung präsentierten sich die Reise- und Freizeitwerte besonders stark. Der entsprechende Branchenindex für Europa legte um ein halbes Prozent zu. Analysten der Deutschen Bank blicken angesichts eines zu erwarteten Rückgangs beim Angebot im Luaftverkehr derzeit etwas lockerer auf die weitere Entwicklung - wenngleich die Nachfrage aber weiter schwach sei. Für Ryanair sprachen die Experten eine neue Kaufempfehlung aus, die Papiere gewannen bis zum Mittag 1,14 Prozent dazu. Air France stiegen nach einer Kurszielerhöhung um etwa 2 Prozent.

Besonders gefragt waren zudem die Papiere des Elektronikhändlers Dixons Carphone . Sie verteuerten sich um rund 6 Prozent. Das britische Unternehmen hat die Erwartungen von Analysten im ersten Geschäftshalbjahr übertroffen. Der Vorsteuerverlust verringerte sich demnach beträchtlich, die Jahresziele wurden zugleich aufrecht erhalten. Weniger gut lief es im ersten Halbjahr dagegen für die britische Modekette Superdry . Der Umsatz ging bis Ende Oktober um 11 Prozent zurück, beim Ergebnis vor Steuern rutschte das Unternehmen zudem deutlich in die roten Zahlen.

Der Zahlungsdienstleister und Wirecard -Konkurrent Adyen gewann seinerseits zwei Prozent dazu, nachdem die US-Investmentbank Morgan Stanley eine Kaufempfehlung für die Niederländer ausgesprochen hatte. Der Zahlungsdienstleister sei in seiner Branche der Platzhirsch, schrieb Analyst Adam Wood. Die Vereinbarungen mit Ebay und Alibaba untermauerten die langfristig positiven Aussichten.

Zugegriffen wurde auch bei den Papieren der britischen Investmentbank HSBC , bei denen die Bank of America jüngst ebenfalls zum Kauf riet. Der Kurs stieg um eineinhalb Prozent.

Dass Nestlé sein US-Speiseeisgeschäft an ein mit der Beteiligungsgesellschaft Pai Partners gegründetes Joint Venture verkauft, erregte an der Börse nicht ganz so viel Aufmerksamkeit. Die Aktie des Schweizer Lebensmittelriesen legte um knapp ein halbes Prozent zu./kro