ERLANGEN (dpa-AFX) - Der Medizintechnikkonzern Siemens Healthineers zeigt sich optimistisch für die Zukunft. In einem milliardenschweren Gesundheitsmarkt will sich die Siemens -Tochter weiter besser schlagen als die Konkurrenz und hat sich ehrgeizige Wachstumsziele verpasst. Dabei setzt das Unternehmen auch auf Digitalisierung und künstliche Intelligenz. Bremsklotz bleibt zunächst die Labordiagnostik. Was bei Siemens Healthineers los ist, was Analysten sagen und was die Aktie macht.

DAS IST LOS BEI SIEMENS HEALTHINEERS:

Siemens Healthineers kann auf ein erfolgreiches Geschäftsjahr 2018/19 zurückblicken. Deutliche Steigerungen bei Umsatz und Gewinn, die Aktionäre konnten sich über eine höhere Dividende freuen. Während sich die Geschäfte mit der Bildgebung und der Präzisionsmedizin gut entwickeln, bleibt die Labordiagnostik das Sorgenkind der Siemens-Tochter. Die Ergebnisse fielen unter den Erwartungen aus, weswegen Healthineers die eigenen Profitabilitätsziele leicht verfehlte. Wegen der anhaltenden Anlaufschwierigkeiten mit dem neuen System Atellica rechnet der Konzern hier mit einer Durststrecke.

Das ist umso ärgerlicher, weil das Management im Zuge des Börsengangs des Konzerns im März 2018 potenzielle Investoren mit hohen Wachstumsversprechen für die Labordiagnostik gelockt hatte. Doch die Markteinführung des neuen Systems läuft nicht wie geplant, höhere Anlaufkosten und länger als erwartete Installationszeiten belasteten. Konzernchef Bernd Montag räumte daher auf der Bilanzpressekonferenz Anfang November Fehler ein. Man sei mit Atellica zu optimistisch in den Markt gegangen.

Dennoch sieht er das Geschäft als "entscheidenden Wachstumstreiber". Healthineers setzt große Hoffnungen in das Atellica-System, das die seit langem schwächelnde Labordiagnostik wieder nach vorne bringen soll. Bei der Profitabilität hinkt der Bereich aber weiter erheblich hinterher. Das geplante Margenziel wurde daher um zwei Jahre auf 2024 verschoben.

Dagegen erwartet das Management bei der Bildgebung und der Präzisionsmedizin eine anhaltende Wachstumsdynamik. Auch hier setzt der Konzern auf digitale Ansätze. So stellte der Konzern Anfang Dezember auf einem Radiologenkongress in den USA zwei auf künstlicher Intelligenz basierende Software-Assistenten für die Magnetresonanztomographie vor. Das noch kleine aber margenstarke Geschäftsfeld mit der Präzisionsmedizin stärkte Healthineers mit der 1,1 Milliarden US-Dollar schweren Übernahme von Corindus, einem Hersteller robotergestützter Systeme für minimalinvasive Gefäßeingriffe.

Gerade in den USA hat sich der Konzern zuletzt verstärkt: Neben Corindus hat sich Healthineers die Mehrheit an ECG gesichert, einem führenden US-Beratungsunternehmen im Gesundheitswesen. Dazu kommen Kooperationen mit großen US-Kliniken, die Healthineers helfen können, Marktanteile zu gewinnen - etwa vom US-Konkurrenten GE Healthcare, einer General-Electric-Tochter.

Für die Geschäftjahre 2020/21 und 2021/22 geht Healthineers von einem mittelfristigen vergleichbaren Wachstum von mehr als 5 Prozent aus. Das Gewinnplus je Aktie soll jeweils rund 10 Prozent betragen. Wachstumstreiber dürften dabei zunächst weiter die Präzisionsmedizin sowie die Bildgebung bleiben. Mehr Details will der Konzern an diesem Dienstag (10.12.) auf einer Investorenveranstaltung vorstellen.

DAS SAGEN ANALYSTEN:

Analysten nehmen derzeit überwiegend eine neutrale Haltung zu Healthineers ein. Aber es gibt auch Kaufempfehlungen, wie etwa von Holger Fechner von der NordLB. Dieser lobt die "unternehmensübergreifend klaren Prioritäten" beim Medizintechnikkonzern. Richard Latz von der britischen Investmentbank HSBC bescheinigt dem Konzern ein "ordentliches Wachstum".

Die Branche gehe von einem anhaltenden Wachstum aus, notierte David Adlington von JPMorgan. Das Geschäft von Healthineers dürfte sich daher weiter gut schlagen. Er kritisierte aber in einer jüngsten Studie die Probleme in der Labordiagnostik, die das Management seiner Ansicht nach immer noch unterschätzt. Seiner Auffassung zufolge liegt die enttäuschende Entwicklung nicht nur an den hohen Kosten für Atellica, sondern auch an unter den Erwartungen liegenden Umsätzen. Dagegen entwickele sich die Bildgebung stärker als gedacht. Das Geschäft sei deutlich profitabler als etwa bei GE oder Philips.

Die Mittelfristprognosen stufen so manche Analysten hingegen als ehrgeizig ein, etwa die Experten von Kepler Cheuvreux. Die neuen Ziele erschienen im Vergleich mit den Aussagen der Konkurrenz womöglich ambitioniert, doch die geplanten Produkt- und Technologie-Innovationen stützten, hieß es vom Analysehaus. Goldman-Sachs-Analystin Veronika Dubajova erklärte, sie sei für die folgenden Geschäftsjahre vorsichtiger als der Konzern.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Die Aktie hat sich seit dem Börsengang 2018 gut geschlagen. Die Aktie war zu 28 Euro ausgegeben worden. Seitdem hat das Papier um über 50 Prozent an Wert gewonnen. Ihr Rekordhoch erreichte die Aktie mit mehr als 44 Euro Ende November, danach ging es wieder leicht bergab. Seit Jahresbeginn hat der Kurs um etwa 17 Prozent zugelegt, während der MDax auf einen Zuwachs von rund einem Viertel kommt.

Analysten sehen den Kurs derzeit ausgereizt. Der überwiegende Teil der im dpa-AFX-Analyser vertretenen Experten rät zum Halten der Aktie. Auch von der Investorenkonferenz erwartet etwa Daniel Wendorff von der Commerzbank keinen neuen Schwung. Das durchschnittliche Kursziel sehen die Analysten aktuell bei gut 40 Euro, wobei die NordLB mit 52 Euro der größte Optimist ist. Derzeit notiert die Aktie deutlich über 42 Euro./nas/eas/jha/