WIESBADEN (dpa-AFX) - Deutschlands zweitgrößter Lebensversicherer R+V setzt trotz der anhaltenden Zinsflaute auf das Geschäft mit der Altersvorsorge. "Wir stoßen keine Versicherungsverträge ab", sagte Vorstandschef Norbert Rollinger der Deutschen Presse-Agentur in Wiesbaden. "Dazu stehen wir. Die Lebensversicherung schrumpft bei uns nicht, sondern sie wächst." Wegen des anhaltenden Zinsverfalls müsse aber mit weiter sinkenden Renditen bei den Lebensversicherungen gerechnet werden. Mit einer kurz- oder mittelfristigen Verbesserung der Situation rechne er nicht.

Die in Wiesbaden ansässige R+V Versicherung habe wegen dieser Entwicklung in erheblichem Umfang Zinszusatzreserven gebildet, um die gegebenen Garantien auch zu sichern, erklärte der Manager. "Wir werden auch weiter zusätzliche Reserven bilden." Da sei das Unternehmen, das zu den Volks- und Raiffeisenbanken gehört, branchenweit in einer noch vergleichsweise komfortablen Situation. "Aber ich mache auch keinen Hehl daraus, dass das immer schwieriger wird."

Trotz der schwierigen Marktlage rechnet der Vorstandsvorsitzende im laufenden Jahr für die R+V Versicherung im Lebensversicherungssegment mit einem Beitragswachstum von 2,5 bis 3,0 Prozent. Bei den laufenden Beiträgen werde das Unternehmen kräftig zulegen. "Damit haben wir einen ganz guten Lauf." Im Gesamtjahr 2018 hatten die gebuchten Bruttobeiträge bei rund 7,8 Milliarden Euro gelegen. Bestände von anderen Lebensversicherern werde die R+V nicht übernehmen, betonte Rollinger. "Das ist nicht unser Geschäftsfeld."

Über alle Sparten hinweg geht der Konzernchef von einem Wachstum im Erstversicherungsgeschäft in Deutschland von 3,5 bis 4,0 Prozent in diesem Jahr aus. In der Gruppe werde der Wert voraussichtlich noch darüber liegen, sagte Rollinger. Bis Oktober habe die Zahl der neuen Kunden bei 140 000 gelegen. Bis zum Jahresende würden es voraussichtlich bis zu 200 000 sein, so dass die Zahl der Kunden konzernweit in Richtung 8,8 Millionen gehe. "Wir werden ein gutes Versicherungsjahr haben - sowohl was das Wachstum als auch das Ergebnis angeht."

Bei den Erstversicherern sind die Wiesbadener nach eigenen Angaben bundesweit die Nummer zwei. Im abgelaufenen Geschäftsjahr 2018 war in diesem maßgeblichen Geschäft ein Zuwachs von knapp drei Prozent auf mehr als 14 Milliarden Euro erzielt worden. Die gebuchten Bruttobeiträge lagen konzernweit bei 16,1 Milliarden Euro. Der Konzerngewinn vor Steuern betrug 448 Millionen Euro.

Rollinger zeigte sich überzeugt davon, dass der Druck auf die Politik wegen der angekündigten Negativzinsen auch für private Sparer und von Unternehmen wieder wachsen wird. Privates Vermögen werde zerstört. Viele Firmen böten ihren Mitarbeitern zudem Betriebsrenten an, die oftmals in Pensionskassen geführt werden, sagte der Manager zur Begründung. "Diese Pensionskassen leiden natürlich auch sehr stark unter diesen Zinsen. Zur Finanzierung dieser Altersvorsorge wird auf die Unternehmen noch viel Nachzahlbedarf zukommen." Dieser Kernfrage in der Zinspolitik und ihren Folgen werde sich die gesamte europäische Politik stellen müssen./glb/DP/zb