FRANKFURT (dpa-AFX) - Der Dax dürfte in der neuen Woche am seidenen Faden der Politik hängen. Dabei könnte der Brexit vorerst die größeren Schlagzeilen machen als die globalen Handelsstreitigkeiten, die zuletzt als Kurstreiber meist bestimmend waren. Richtungweisend wird dabei der Samstag, wenn in London über den Scheidungsvertrag mit der EU abgestimmt wird. "Dieser Deal muss noch durch die 'Mühlen' des britischen Parlaments", betonte Martin Utschneider von der Privatbank Donner & Reuschel.

Am Markt gibt es große Zweifel, ob Premierminister Boris Johnson den mit der EU ausgehandelten Deal durch bekommt - anders als seine Vorgängerin Theresa May. "Die Hard Brexiteers stehen offensichtlich hinter Johnson, aber sowohl die nordirische DUP als auch Labour werden wohl gegen den Deal stimmen, weshalb es aktuell nicht für eine Annahme reichen würde", sagte Finanzmarktanalyst Manuel Andersch von der BayernLB. Viele Experten sprechen von einem vollkommen offenen Ergebnis, was die Brisanz bei der Abstimmung noch erhöht.

Die Aussicht auf ein Brexit-Abkommen hatte in den vergangenen Tagen bei Anlegern bereits für gute Stimmung gesorgt und den Dax per saldo gestützt. "Bei aller Freude darüber: Die Kuh ist noch längst nicht vom Eis", warnen die Experten der LBBW. Sollte das Abkommen am Samstag im britischen Parlament durchfallen, gebe es viele Szenarien. Die Aktienmärkte dürften dann mit Enttäuschung reagieren. Bei einer Zustimmung hingegen erwarten sie eine weitere Börsenerholung. Anleger können sich dann vielleicht doch noch Hoffnung machen auf eine Jahresendrally.

Analyst Adrian Paul von Goldman Sachs glaubt jedoch an eine erfolgreiche Abstimmung und skizzierte dafür am Freitag ein Szenario, bei dem der Deal auch ohne eine Unterstützung der nordirischen DUP eine Mehrheit erreichen kann - und zwar mit Hilfe einer Gruppe von oppositionellen Labour-Abgeordneten, die eine Scheidung von der EU befürworten. Johnson fehlen etwa 30 Stimmen für eine Mehrheit.

Charttechnisch sieht die BayernLB den Dax, der es zuletzt auf den höchsetn Stand seit August 2018 geschafft hatte, aber vor einem massiven Widerstand nach oben. Analyst Hans-Peter-Reichhuber spricht beim Leitindex von einer breiten Seitwärtsbewegung unterhalb der 2018-er Kursspitzen. Mitte des vergangenen Jahres war der Dax im Bereich zwischen 12 900 und 13 200 Punkten mehrere Male nach unten abgedreht. "Ein Ausbruch nach oben zeichnet sich derzeit nicht ab", so der Experte.

Laut dem Donner & Reuschel-Experten Utschneider schweben abseits des Brexit aber auch andere Themen wie die US-Handelszölle sowie die globale Rezessionsgefahr weiter wie ein Damoklesschwert über dem Markt. Im Handelsstreit mit China stehen die Zeichen zwar eher auf Deeskalation. Eine Serie von gekürzten Unternehmensprognosen ist neuerdings aber Zeugnis der Konjunktursorgen. Sie droht sich in den kommenden Wochen fortzusetzen, wenn die Berichtssaison zum dritten Quartal richtig ins Rollen kommt.

Am Montag berichtet SAP, Eckdaten sind hier aber seit der Vorwoche schon bekannt. Am Dienstag folgen Konkurrent Software AG. Ein richtiger Hammertag wird dann der Donnerstag unter anderem mit Quartalszahlen von den Dax-Mitgliedern BASF und Daimler. In der zweiten deutschen Börsenreihe warten dann unter anderem Siltronic, Wacker Chemie, Aixtron, Puma sowie Kion mit Zahlen auf. Am Freitag folgt das neue Dax-Mitglied MTU.

Konjunkturseitig spielt die Musik eher im späteren Wochenverlauf mit einigen wichtigen Frühindikatoren. Am Donnerstag werden vorläufige europäische Einkaufsmanagerdaten für Oktober erwartet, am Freitag folgt das deutsche Ifo-Geschäftsklima. Nach dem zuletzt ersten Anstieg seit März sieht die Postbank im Oktober bei den Geschäftserwartungen ein moderates Aufwärtspotenzial, nicht aber für die Lagebeurteilung. In der Summe rechnen die Experten daher mit einem knappen Rückgang des Ifo-Index um 0,1 auf 94,5 Punkte.

Ein wichtiges Thema sollte bei den geopolitischen Themen allerdings nicht vergessen werden: Am kommenden Donnerstag kommt die Europäische Zentralbank zu ihrer letzten Zinssitzung unter dem scheidenden Präsidenten Mario Draghi zusammen. Laut Karsten Junius von der schweizerischen Privatbank J. Safra Sarasin sind dann keine neuen Maßnahmen zu erwarten. Mehr noch als über die geldpolitische Zukunft dürfte seiner Ansicht nach über das im September von Draghi geschnürte Maßnahmenpaket diskutiert werden./tih/gl/he

--- Von Timo Hausdorf, dpa-AFX ---