WIESBADEN (dpa-AFX) - Planungsfehler, gesenkte Prognosen und der Rücktritt des Chefs: Der Kohlefaserspezialist SGL Carbon hat derzeit zu kämpfen. Seit Jahresbeginn ist die Aktie um rund 30 Prozent eingebrochen. Damit belegt der Konzern im Nebenwerte-Index SDax in diesem Jahr einen der hinteren Plätze. Was bei dem Unternehmen los ist, was Analysten sagen und was die Aktie macht.

DAS IST LOS BEI SGL CARBON:

Mitte August hat SGL Carbon für eine herbe Enttäuschung gesorgt: Der Konzern wurde pessimistischer und strich gleich die Ziele für die kommenden drei Jahre zusammen. Das kam unerwartet, nachdem das Unternehmen noch im Halbjahresbericht die Jahresprognosen für 2019 bestätigt hatte.

Vorstandschef Jürgen Köhler legte sein Amt nieder. Finanzchef Michael Majerus übernahm übergangsweise die Führung. Das Unternehmen sucht derzeit eine Nachfolge für die Konzernspitze, setzt dabei aber auf eine externe Lösung.

Vor allem der Geschäftsbereich, der sich mit Karbonfasern befasst, bereitet dem Konzern Probleme. Der Grund dafür sind laut Unternehmensangaben Planungsfehler bei einem großen Windenergie-Geschäft. Zudem hätte man die Erholung im Marktsegment Industrielle Anwendungen zu optimistisch beurteilt.

Die Geschäftsentwicklung im Bereich der Graphitwerkstoffe und -systeme schätzen die Wiesbadener jedoch weiter besser ein als erwartet. Im Dezember hatte SGL einen neuen Fünfjahresplan verabschiedet, der höhere Investitionen in diesem Gebiet vorsah.

Vor gut einem Jahr blickte SGL noch optimistisch in die Zukunft. 2017 war dem Kohlefaserspezialisten nach langer Zeit der Sprung aus den roten Zahlen geglückt, was vor allem durch den Verkauf von Verlustgeschäften gelungen war. Im November 2018 hatte der Konzern ein Milliardenumsatz-Ziel verkündet und die Umsatzprognosen sogar noch leicht erhöht.

Am 5. November legt SGL den Quartalsbericht vor. Hier wird sich zeigen, ob bei dem aktuellen Abwärtstrend eine Erholung in Sicht ist.

DAS SAGEN DIE ANALYSTEN:

Vier der sechs im dpa-AFX-Analyser erfassten Branchenexperten bewerten die SGL-Aktie mit „Halten“. Zwei Analysten empfehlen das Papier zum Verkauf. Im Schnitt sehen sie die Aktie auf dem Weg zu rund 4,70 Euro - ein kleiner Aufschlag auf das aktuelle Kursniveau.

Analyst Christian Obst von der Baader Bank senkte das Kursziel zuletzt drastisch von 9 auf 3 Euro und empfiehlt angesichts der Kursrisiken, die er sieht, den Verkauf der Papiere. Das sei geraten, solange kein neuer Konzernchef gefunden sei und das Unternehmen noch keine neue Strategie vorgelegt habe, schrieb Obst in einer aktuellen Studie. Der Kohlenstoffspezialist sei "eine riskante Wette".

Weniger kritisch sehen es die Analysten des Bankhauses Lampe und der Landesbank Baden-Württemberg. Beide plädieren dafür, die Aktie zu halten. LBBW-Analyst Ulle Wörner halbiert das Kursziel von 8 auf 4 Euro, sieht aber eine gute Geschäftsentwicklung im Bereich Graphitwerkstoffe und -systeme.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Die SGL-Aktie hat innerhalb eines Jahres fast die Hälfte an Wert verloren - und das obwohl sich das Papier zuletzt etwas von ihrem Mehrjahrestief im August erholen konnte. Im Sommer war die Aktie nach der Gewinnwarnung und dem Rücktritt des Konzernchefs bis auf 3,57 Euro und damit den tiefsten Stand seit 2002 gefallen.

Zuletzt kostete die Aktie mit 4,458 Euro wieder etwas mehr, liegt aber weiter deutlich unter dem Niveau, das sie noch vor einigen Jahren hatte. Ende 2011 hatte das Papier zeitweise noch mehr als 40 Euro gekostet. Damals galt Carbon unter den Autobauern als möglicher Rohstoff für den Fahrzeugbau, mit dem die Autos leichter und damit sparsamer werden sollten.

So setzte BMW bei dem vor dem inzwischen wieder vor dem Aus stehenden Elektroauto i3 auf den Rohstoff. Die Münchener sind seit der Zeit auch an SGL beteiligt und hielten zuletzt 18,4 Prozent des Unternehmens, dessen Börsenwert von mehr als drei Milliarden Euro Ende 2011 auf zuletzt knapp 550 Millionen Euro eingebrochen ist.

Größter SGL-Anteilseigner ist zudem die BMW-Großaktionärin Susanne Klatten, die über ihre Beteiligungsgesellschaft Skion 27,5 Prozent der Aktien hält. Mit einem Anteil von 7,4 Prozent ist Europas größter Autohersteller Volkswagen der drittgrößte Aktionär./hossko/knd/jha/zb/mis

--- Von Oktavia Skorupa, dpa-AFX ---