Von Manuel Priego Thimmel

FRANKFURT (Dow Jones)--Nun ist es doch passiert. Der DAX ist aus seiner seit Monaten andauernden Seitwärtsbewegung nach unten ausgebrochen. Mit dem Fall unter die technisch wie auch psychologisch wichtige 200-Tagelinie bei 15.580 sowie den Sommertiefs um 15.450 hat sich das Umfeld merklich eingetrübt. Sollten die Niveaus nicht sehr rasch zurückerobert werden, eröffnet sich weiteres Abwärtspotenzial im DAX von rund 1.000 Punkten bis auf etwa 14.500. Am Freitagmittag notiert der deutsche Vorzeigeindex bei 15.470.

Fundamental bleibt das Zinsumfeld der Hauptbelastungsfaktor für Aktien. Die vielbeachtete Rendite der 10-jährigen US-Staatsanleihen rentiert mit 4,55 Prozent nur knapp unterhalb eines Mehrjahreshochs. Die Aussicht, dass die US-Notenbank die Leitzinsen wohl noch ein weiteres Mal im laufenden Jahr anheben wird, und dass im kommenden Jahr die Zinsen vermutlich kaum fallen werden, kam bei den Anlegern nicht gut an. Im Handel wird ein Renditeanstieg bis auf 5 Prozent nicht ausgeschlossen - womit die Assetklasse weiter an Attraktivität gegenüber Aktien gewinnen würde.


    Inflation auf dem Weg nach unten 

Dass sich die Inflation in die richtige Richtung entwickelt, ist sicherlich erfreulich. So sind die Verbraucherpreise in der Eurozone im September klar unter 5 Prozent gefallen und auch in der Kernrate gab es einen markanten Rückgang. Es ist indes verständlich, dass die Notenbanken, nachdem sie den Anstieg und die Nachhaltigkeit der Inflation nach der Pandemie völlig falsch eingeschätzt hatten, nun vorsichtig bleiben, und nicht zu früh, die Inflation für besiegt erklären wollen.

Auch ist der Ölpreis seit Juni um knapp 30 Prozent gestiegen, was neue Inflationssorgen ausgelöst hat. Allerdings glaubt die Commerzbank, dass das Aufwärtspotenzial beim Öl angesichts der sich weltweit abzeichnenden schwachen Konjunktur weitgehend ausgereizt sein dürfte, selbst wenn Saudi-Arabien an seinen Produktionskürzungen weiter festhalten sollte. Sobald sich eine Rezession in den USA abzeichne, sei sogar wieder mit einem Preisrückgang zu rechnen. "Damit wird der Ölpreis den weiteren Rückgang der Inflationsraten kaum verhindern", so die Analysten.


    Geldpolitik wirkt zeitverzögert 

Nach Einschätzung der Commerzbank unterschätzen viele Investoren, wie stark die restriktive Geldpolitik die Konjunktur weltweit bremsen dürfte. "Daher stellt für uns der Rutsch des DAX-Index unter seine 200-Tagelinie kurzfristig noch keine vielversprechende Nachkaufgelegenheit dar", heißt es. Zwar könnten sich die Aktienmärkte kurzfristig etwas erholen, da die Märkte überverkauft seien, doch sollte man mit Zukäufen auf Marktphasen warten, in denen sowohl der VDAX als auch der VIX im Bereich von 25 bis 30 notieren. Aktuell notiert der VDAX bei 18.

Eine unmittelbare Gefahr für die Börsen stellt der drohende Shutdown, also eine Haushaltssperre, der US-Regierung dar. Bisher haben sich Republikaner und Demokraten nicht auf einen von beiden Kammern des US-Kongresses getragenen Gesetzesentwurf für das am 1. Oktober beginnende Haushaltsjahr 2024 geeinigt. Die rechtzeitige Verabschiedung eines Überbrückungsgesetzes sieht Ulrich Stephan, Chefanlagestratege für Privat- und Firmenkunden bei der Deutschen Bank, nicht.


    Negative Folgen von US-Shutdowns in der Vergangenheit überschaubar 

In den vergangenen zehn Jahren sei es bis dato zu drei teilweisen Shutdowns gekommen, so Stephan: Der längste im Jahr 2019 habe 34 Tage gedauert und überschaubare Folgen für Wirtschaft und Kapitalmärkte gehabt. Während Aktien des Gesundheitswesens sowie staatlicher Auftragnehmer sensibler reagieren könnten, erscheinen anhaltend signifikante Reaktionen des breiten US-Markts wenig wahrscheinlich. Allerdings könnte sich eine risikoaverse Anlegerstimmung verstärken, je länger und polarisierter sich das politische Tauziehen gestalte.

Gelassen bleibt derweil die DZ Bank: "Wir sehen in der aktuellen Aktienmarktbewegung eine gewöhnliche Korrektur nach einem unerwartet erfolgreichen Börsenjahr. Daher gibt es für uns weiterhin gute Gründe investiert zu bleiben und keinen einzigen Grund, um zu Verkaufen." Parallelen zu den übertriebenen Sorgen im Jahr 2022 seien unübersehbar, die Anlegerstimmung werde dadurch auf ein neues Tief gedrückt und die Resilienz der Unternehmensgewinne in den Blue Chip Indizes gerne ausgeblendet. Die Chance auf eine Endjahresrally sei weiterhin mehr als da.

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DJG/mpt/err

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September 29, 2023 08:04 ET (12:04 GMT)