Das größte deutsche Biotechunternehmen wandert nach monatelangem Ringen im amerikanische Hände: Qiagen soll für 10,4 Milliarden Euro an den US-Laborausrüster Thermo Fisher verkauft werden.

Eine entsprechende Vereinbarung hätten die Vorstände und Kontrollgremien beider Firmen geschlossen, teilte Qiagen am Dienstag mit. Thermo Fisher bietet 39 Euro je Qiagen-Aktie, ein Aufschlag von fast 23 Prozent auf den Schlusskurs vom Montag. Spekulationen über eine Übernahme von Qiagen gab es schon länger. Dabei galt vor allem Thermo Fisher als Interessent. Der US-Laborausrüster hat einen Börsenwert von mehr als 121 Milliarden Dollar und erzielte im vergangenen Jahr mit mehr als 75.000 Mitarbeitern einen Umsatz von über 25 Milliarden Dollar.

Qiagen wurde 1984 in Düsseldorf gegründet und ist seit 1997 an der Frankfurter Börse notiert. Das gemessen am Umsatz von 1,53 Milliarden Dollar im vergangenen Jahr größte deutsche Biotechunternehmen beschäftigt weltweit 5100 Mitarbeiter, davon 1500 in Deutschland. Im vergangenen November hatte Qiagen - die ihren operativen Sitz in Hilden bei Düsseldorf hat, deren Holding allerdings im niederländischen Venlo ansässig ist - über verschiedene Übernahmeofferten berichtet. Wie viele Interessenten es genau waren und von wem die Angebote kamen, gab das Unternehmen nicht bekannt. Thermo Fisher hatte aber als aussichtsreichster Kandidat gegolten.

Doch im Dezember hatte die Führung des Biotechunternehmens einem Verkauf eine Absage erteilt. Qiagen wolle doch eigenständig bleiben, da die verschiedenen Alternativen "nicht überzeugend" gewesen seien, hieß es. Das hat sich mit der aktuellen Offerte von Thermo Fisher offenbar geändert. Qiagen befindet sich zudem schon seit einiger Zeit in unsicherem Fahrwasser. Das auf Tests zum Nachweis von Krankheiten und auf Laborgeräte spezialisierte Unternehmen hatte 2019 mehrmals seine Prognosen verfehlt. Der langjährige Vorstandschef Peer Schatz kündigte Anfang Oktober überraschend seinen Rücktritt an. Noch gibt es keinen Nachfolger für Schatz, der 27 Jahre für Qiagen arbeitete, davon 15 Jahre als Chef.

Qiagen hatte mit dem Rücktritt von Schatz auch einen Strategiewechsel und eine Umstellung seines Produktionsnetzwerks angekündigt. Das Unternehmen wollte die Entwicklung seines DNA-Sequenzierungssystems GeneReader beenden, in das Qiagen einst hohe Hoffnungen gesetzt hatte. Seine Entwicklungsarbeiten in diesem Geschäftsfeld wollte der Konzern stattdessen auf eine Zusammenarbeit mit dem US-Konkurrenten Illumina konzentrieren.

Thermo Fisher hat sich für seine Übernahmeofferte das Erreichen einer Mindestannahmeschwelle von 75 Prozent zum Ziel gesetzt. Die drei größten Aktionäre von Qiagen sind derzeit die Fondsgesellschaft Blackrock mit 10,6 Prozent, Sun Life Financial mit 5,85 Prozent sowie Primecap Management mit 5,8 Prozent. Der Abschluss der Übernahme ist für das erste Halbjahr 2021 geplant. Die im Nebenwerteindex MDax notierten Qiagen-Aktien schossen am Dienstag durch die Decke und legten zeitweilig um mehr als 21 Prozent zu. Der Börsenwert liegt damit bei 8,6 Milliarden Euro. Die Übernahmeofferte bewertet das Unternehmen inklusive Schulden mit 10,4 Milliarden.