PARIS/LONDON (awp international) - Von dem Ansturm von Trump-Anhängern auf das Washingtoner Kapitol haben sich am Donnerstag die Aktien-Anleger in Europa nicht aus der Ruhe bringen lassen. Sie konzentrierten sich lieber auf die Chancen, die die Agenda des gewählten US-Präsidenten Joe Biden verspricht.

In einem insgesamt weiter positiven Börsenumfeld baute daher der Eurozonen-Leitindex EuroStoxx 50 seine hohen Vortagesgewinne noch etwas aus, er stieg gegen Mittag um 0,12 Prozent auf 3615,33 Punkte. In Paris gewann der Cac 40 0,28 Prozent auf 5646,37 Punkte. Der Londoner FTSE 100 hingegen gab um 0,48 Prozent auf 6809,22 Punkte an. Er hatte am Vortag allerdings mit plus dreieinhalb Prozent besonders deutlich dazugewonnen.

Die US-Demokraten unter Joe Biden haben inzwischen auch die Senatshoheit gewonnen. Biden kann daher seine politische Agenda, die noch umfangreichere Konjunkturhilfen vorsehen dürfte mit hohen Investitionen in die Infrastruktur, leichter durchsetzen und erst einmal durchregieren.

Nach der gewaltsamen Erstürmung des US-Parlamentssitzes am Vortag zertifizierten mittlerweile die beiden Kongresskammern offiziell den Sieg Bidens bei der Präsidentschaftswahl vom November. Proteste aufgebrachter Trump-Unterstützer waren zuvor eskaliert und hatten das politische Zentrum der USA zeitweise in ein beispielloses Chaos gestürzt und der amerikanischen Demokratie schweren Schaden zugefügt.

Mit der Bestätigung des Biden-Wahlsiegs und der von Donald Trump angekündigten geordneten Machtübergabe werde nun aber Unsicherheit aus den Märkten genommen und hoffentlich ein Schlussstrich gezogen unter die letzten vier Jahre mit Trump als Präsidenten der USA, schrieb Analyst Neil Wilson von Markets.

Die neuen politischen Verhältnisse in den USA spielen dem europäischen Baustoffsektor in die Karten, besonders jenen Unternehmen mit Geschäftstätigkeit in den Vereinigten Staaten. Sie profitieren von steigenden Ausgaben für die Infrastruktur. Der Sektor war am Donnerstag mit plus 2,1 Prozent der beste der Stoxx-600-Branchenübersicht, angeführt von den Aktien des französischen Konzerns Saint-Gobain mit einem Plus von mehr als sieben Prozent. Das Schlussquartal von Saint-Gobain lief offensichtlich deutlich besser als erwartet.

Schwächster Sektor in Europa waren die Reise- und Freizeitwerte mit minus 1,7 Prozent. Im EuroStoxx belegten die Titel des Buchungssystemanbieters Amadeus IT mit einem Verlust von 4,7 Prozent den letzten Platz. Die britische Investmentbank Barclays hatte sie von "Equal Weight" auf "Underweight" abgestuft. Die längerfristig zurückgehenden Geschäftsreisen dürften sich negativ bemerkbar machen, hiess es.

Top-Wert im EuroStoxx waren Bayer mit einem Plus von drei Prozent. Auftrieb gab hier die Nachricht über eine Zusammenarbeit mit dem Biotech-Unternehmen Curevac bei der weiteren Entwicklung und Bereitstellung eines Corona-Impfstoffes./ajx/mis