Von Margot Patrick

ZÜRICH (Dow Jones)--Der UBS-Konzern steht nach dem Kauf der Credit Suisse vor einem Dilemma: Belohnt sie ihre Aktionäre im Voraus, indem sie das Schweizer Inlandsgeschäft der kleineren Bank abgibt, oder bereitet sie sich auf eine schwierige Integration vor, die sie auf ihrem Heimatmarkt noch dominanter machen würde. Die beiden nach Vermögenswerten grössten Banken der Schweiz schließen sich zusammen, nachdem die Credit Suisse das Vertrauen von Kunden und Investoren verloren hat und Mitte März gerettet werden musste. UBS Chief Executive Officer Sergio Ermotti hat signalisiert, dass die Integration in sich überschneidenden Bereichen wie dem globalen Investmentbanking sofort beginnen wird. Beim Schweizer Inlandsgeschäft würden jedoch alle Optionen in Betracht gezogen.

"Die größte Wertschöpfung wird darin bestehen, dass UBS das Geschäft behält und die Überschneidungen beseitigt", sagt Octavio Marenzi, CEO der Beratungsfirma Opimas. "Das ist aber auch das Radikalste und Schwierigste, was man tun kann". UBS sei in der einzigartigen Position, um Kosten- und Ertragssynergien aus dem Geschäft zu generieren, so Marenzi. Einige Schweizer Politiker wollen, dass die UBS den Schweizer Zweig der Credit Suisse abtrennt, um Tausende von Arbeitsplätzen zu erhalten, die bei einer Integration verloren gehen würden. Analysten sind geteilter Meinung über den Wert der Beibehaltung oder der Veräußerung des Geschäftsbereichs, der die einzige profitable Einheit der Credit Suisse ist und allein auf einen Wert von etwa zwölf Milliarden US-Dollar geschätzt wird.


   Ausgliederung wäre eine Möglichkeit 

Eine Option wäre die Ausgliederung des Geschäfts an die UBS-Aktionäre, die dann Aktien einer separaten börsennotierten Einheit erhalten würden. UBS könnte auch Aktien im Rahmen eines Börsengangs anbieten oder die Schweizer Bank an einen anderen Käufer veräußern. Die UBS wird auch entscheiden müssen, was genau im Unternehmen verbleibt. Die Einheit umfasst das Retail- und Business-Banking-Geschäft der Credit Suisse. Sie beinhaltet auch eine Vermögensverwaltungssparte, die reiche Kunden in der Schweiz betreut, sowie eine inländische Investmentbank, auf welche die UBS schon seit langem ein Auhe geworfen hat und die sie deshalb behalten könnte.

Nach einer Analyse von Jefferies, die sich auf Daten aus dem Jahr 2021 stützt, würden UBS und Credit Suisse zusammen rund 38 Prozent der gesamten Schweizer Kredite, 39 Prozent der Einlagen und 57 Prozent der Unternehmenskredite kontrollieren. Die Analysten haben die inländischen Niederlassungen der beiden Banken kartiert und festgestellt, dass 60 Prozent innerhalb von einem Kilometer beieinander liegen. Die UBS war vor 25 Jahren aus der Fusion der Schweizerischen Bankgesellschaft (SBG) und dem Schweizerischen Bankverein (SBV) hervorgegangen. Wie andere Länder auch, wollte die Schweiz nach der Finanzkrise von 2008 verhindern, dass eine einzelne Bank zu groß wird, um zu scheitern, indem sie systemrelevanten Banken zusätzliche Kapitalanforderungen auferlegte.

Die Schweizer Behörden haben bei der nun vergrößerten UBS kurzfristig auf zusätzliche Kapitalanforderungen verzichtet, was jedoch in den kommenden Jahren problematisch werden könnte, sagen Analysten. Die globalen Aufsichtsbehörden dürften nämlich aufgrund der zunehmenden Größe und Komplexität der UBS zusätzliche Kapitalanforderungen stellen. Das spräche dafür, die lokale Einheit der Credit Suisse nicht zu behalten. Die UBS rechnet bis 2027 mit jährlichen Einsparungen von rund acht Milliarden US-Dollar auf der gemeinsamen Kostenbasis der Banken. Sie hat jedoch nicht aufgeschlüsselt, wie viel davon aus der Schweiz kommen könnte. Fast ein Drittel der insgesamt 122.000 Mitarbeiter der beiden Banken ist in der Schweiz beschäftigt.


    Ausreichender Wettbewerb ? 

Ermotti sagte letzte Woche während einer Konferenz, dass es auch bei einer vollständigen Zusammenlegung der beiden Institute noch genügend Wettbewerb in der Fläche geben würde. Der ehemalige UBS-CEO kehrte im April in seine alte Funktion zurück, um die Integration der Credit Suisse zu leiten, nachdem er zuvor eine tiefgreifende Umstrukturierung bei der UBS beaufsichtigt hatte.

Für die Transaktion im März hatte die Regierung eine Ausnahmegenehmigung erteilt, die den Zusammenschluss aus Wettbewerbsgründen von der üblichen aufsichtsrechtlichen Prüfung ausnahm. Die Beibehaltung der Schweizer Bank der Credit Suisse würde für UBS Kosteneinsparungen und mehr Marktanteile bedeuten, so Thomas Hallett, Bankenanalyst bei Keefe, Bruyette & Woods von Stifel Financial. Hallett befürwortet eine Veräußerung, um Werte zu realisieren und Kapital freizusetzen, "angesichts der höheren Renditen, die in anderen Geschäftsbereichen möglich sind".

Ein Vorabgewinn für die Aktionäre würde auch die Folgen der Beendigung von Aktienrückkäufen durch die UBS mildern. Die UBS hatte ursprünglich geplant, in diesem Jahr Aktien im Wert von mehr als fünf Milliarden US-Dollar zurückzukaufen, erklärte aber im März, dass sie diese Käufe wegen der Übernahme aussetzen würde. Ein langsames Vorgehen würde der UBS politische eine Atempause verschaffen, um sich auf eine Integration im Land vorzubereiten, so Marenzi bei Opimas. Im Oktober stehen Bundesratswahlen an. Er sagte, einige Politiker könnten noch Kritik üben, aber das Geschäft sei bereits von der Regierung und den Aufsichtsbehörden abgesegnet worden, indem sie die Rettung erzwangen.

"Es ist schwierig für sie, der UBS zu sagen: 'Ja, ihr müsst diese Bank kaufen, und jetzt könnt ihr in der Schweiz nichts mehr machen, ihr müsst sie verkaufen'", sagte er.

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May 19, 2023 04:39 ET (08:39 GMT)