Von Dan Gallagher

NEW YORK (Dow Jones)--Die meisten Unternehmen sind froh darüber, dass das Jahr 2020 endlich vorbei ist. In der Videospiel-Branche ist die Stimmung nicht ganz so eindeutig. Die Corona-Pandemie war zweifellos ein Segen für die Spielebranche. Einschränkungen, die den Radius vieler Menschen auf die häusliche Umgebung reduzierten und damit ein Bedürfnis nach neuen Formen der Unterhaltung schufen, haben 2020 zu einem Vorzeigejahr für die Branche werden lassen.

Laut Konsensschätzungen von Factset werden sechs der größten Spielehersteller voraussichtlich einen Gesamtumsatz von 24 Milliarden US-Dollar für das abgelaufene Kalenderjahr melden. Das entspräche einem Anstieg von 19 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Im Jahr 2019 war der Gesamtumsatz derselben Gruppe noch um fast 3 Prozent zurückgegangen. In der aktuellen Bilanz sind die Verkäufe der neuen Xbox- und PlayStation-Konsolen noch nicht enthalten. Diese kamen erst Anfang November in den Handel, und sind aufgrund der steigenden Nachfrage immer noch sehr schwer zu bekommen.

Andere Spiele-Hardware-Hersteller haben ebenfalls profitiert. Turtle Beach, das Zubehör wie Spezialkopfhörer für Gamer herstellt, verzeichnete im Neunmonatszeitraum bis September einen Umsatzzuwachs von 71 Prozent gegenüber dem Vorjahr auf 227 Millionen US-Dollar. Das neu an die Börse gebrachte Unternehmen Corsair Gaming, das Gaming-PCs und -Laptops sowie anderes Zubehör herstellt, verzeichnete im gleichen Zeitraum einen Umsatzsprung von 54 Prozent auf rund 1,2 Milliarden Dollar.

Für Spielehersteller war der aktuelle Verkaufsboom angesichts der Auswirkungen der Pandemie auf ihre Entwicklungszyklen besonders bemerkenswert. Der Launch mehrerer großer Spiele verschob sich im Jahr 2020 aufgrund der Herausforderungen durch Fernarbeit nach hinten. Dazu gehörte auch der jährliche Release von Activision Blizzards Blockbuster-Franchise "Call of Duty". Das Spiel "Black Ops Cold War" wurde einige Wochen später als üblich veröffentlicht und erhielt von Kritikern mit die schwächsten Bewertungen seit mehr als einem Jahrzehnt. Doug Creutz, Analyst bei Cowen, stellt dennoch fest, dass das Spiel immer noch auf dem besten Weg ist, mehr als 20 Millionen Einheiten zu verkaufen.

Analysten schätzen, dass das Verlagsgeschäft von Activision, das hauptsächlich aus dem "Call of Duty" -Franchise besteht, einen Anstieg der Nettobestellungen für 2020 um 74 Prozent auf fast 3,9 Milliarden Dollar verzeichnen wird. Sogar Einstufungen als Flops waren eher relativ. In einer Mitteilung vom 22. Dezember berichtete der polnische Spielehersteller CD Projekt, dass der Absatz seines problembehafteten "Cyberpunk 2077" seit seiner Einführung am 10. Dezember mehr als 13 Millionen Einheiten erreichte. Das liegt zwar weit hinter den 18 bis 25 Millionen Einheiten, die Jefferies-Analyst Ken Rumph als Erwartung der Wall Street genannt hatte. Aber es ist dennoch nicht schlecht für ein Spiel, das so voller Fehler ist, dass sowohl Sony als auch Microsoft zusammen mit Einzelhändlern verärgerten Spielern die Rückerstattung ihres Geldes angeboten haben. Analysten gehen weiterhin davon aus, dass CD Projekt 2020 einen Umsatz von umgerechnet rund 672 Millionen Dollar erzielt haben dürfte. Das wäre laut Factset mehr als das Fünffache des Vorjahresumsatzes.


Was bringt 2021 für die Spielebranche? 

Aber wie andere Branchen, die von der Pandemie profitierten, steht auch der Videospielsektor vor der Frage, wie das Geschäft im Jahr 2021 aussehen wird, wenn Massenimpfungen allmählich wieder Normalität ins Leben der Menschen bringen.

Brian Nowak von Morgan Stanley argumentierte in einem Bericht vom 22. Dezember, dass die Pandemie "wahrscheinlich vier Jahre der Spielerakzeptanz vorgezogen hat". Abhängig von den Fähigkeiten der Entwickler zur Einführung überzeugender Spiele werde sich diese Entwicklung in Wachstum manifestieren.

Natürlich könnten Spielehersteller durch die Einführung der neuen Xbox- und PlayStation-Konsolen zusätzliche Unterstützung erfahren, was sich in einer Steigerung der Nachfrage nach Spielen niederschlagen wird, die darauf ausgelegt sind, die neuesten Features und technischen Verbesserungen zu nutzen. Activision und Electronic Arts (EA) - die beiden größten Verlage nach Jahresumsatz - werden voraussichtlich im Kalenderjahr 2021 ein Umsatzwachstum von 7 Prozent bzw. 8 Prozent erzielen. Anteil daran dürften mindestens zwei neue Spiele von Activision Blizzard und ein neues "Battlefield" von EA haben, die voraussichtlich im Laufe des Jahres veröffentlich werden.

Die Geschwindigkeit, mit der die einzelnen Länder ihre Einschränkungen lockern, wird ebenfalls einen großen Einfluss auf die Entwicklung der Branche in diesem Jahr haben. Angesichts des jüngsten Anstiegs der Covid-19-Fälle und den damit verbundenen Aussichten für Unterhaltungsoptionen wie Filme, Konzerte und andere Massenveranstaltungen dürften die Sperrungen und weitere Einschränkungen auch im Winter bestehen bleiben. Themenparks, die um Freizeit und das Ermessen der Behörden konkurrieren, werden wahrscheinlich erst viel später öffnen.

Wenn sich jedoch wieder mehr Unterhaltungsmöglichkeiten bieten und mehr Menschen ihren gewohnten Weg zur Arbeit gehen, wird die Spielebranche wieder damit umzugehen lernen müssen, nicht mehr das einzige Vergnügen in der Stadt zu sein.

Kontakt zum Autor: unternehmen.de@dowjones.com

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January 05, 2021 03:51 ET (08:51 GMT)